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Wiener Zeitung, 12.10.2020 |
Christoph Irrgeher |
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Jonas Kaufmann: Wellness für die Ohren |
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Auch
ihn hat die Krise viel Rampenlicht und Reisekilometer gekostet.
Däumchendrehen musste Jonas Kaufmann allerdings kaum. Wer vor dem
Pandemie-Ausbruch Weltstar war, der konnte danach - mangels Flugoption -
immerhin als Lokalmatador glänzen. Solcherart war der Tenorissimo zur
Jahresmitte auf diversen Freiluftbühnen rund um seine Heimat Bayern aktiv,
bevor er im Herbst zumindest an der Wiener Staatsoper in den vertrauten
Bühnenbetrieb zurückkehren konnte.
Auch am Plattenmarkt ist der
Sänger nicht untätig gewesen: Nachdem er im Juni eine (zwiespältige)
"Otello"-Aufnahme herausgebracht hatte, folgt nun ein Liederalbum unter dem
Titel "Selige Stunde". Einblicke in die ungewöhnliche Genese des Albums
liefert die zeitnah herausgebrachte Dokumentation "Jonas Kaufmann - Ein
Weltstar ganz privat", abrufbar auf Amazon Prime: In einem hellen Dachzimmer
der Casa Kaufmann haben sich der Tenor und sein langjähriger Wiener
Klavierpartner Helmut Deutsch im Frühling in die Lieder vertieft, angeblich
ganz stressfrei. Das klingt nach idyllischem PR-Sprech, aber dennoch
glaubwürdig: Wo kein Studiohonorar zu bezahlen ist, muss das Ergebnis nicht
gleich im Kasten sein. Und im heurigen April war ohnedies kaum jemand in
Eile.
Tatsächlich wird diese "Selige Stunde" ihrem Namen gerecht. 27
Seelentröster bilden darauf ein Wellnessprogramm für die Ohren, darunter
einige der schönsten Süßholz-Ständchen der Klassik, von Robert Schumanns
"Widmung" bis zu Richard Strauss’ "Zueignung". Kulinarisch? Ja, aber
durchwegs mit Klasse: Es ist ein Festspiel des Schmachtens, Schwelgens,
Seufzens und Säuselns - und eine ideale Spielwiese für Kaufmanns Timbre in
den hauchigen, honigsüßen, hohen Lagen. Mag der Tenor des 51-Jährigen auch
bei Bühnenauftritten seine Problemzonen haben, im Fortissimo-Bereich sowie
beim Lagenwechsel: Wie sachte er auf dieser Aufnahme Beethovens "Adelaide"
umbuhlt und in Schuberts "Jüngling an der Quelle" eine gewisse Luise
("Luuuuuuise"), wie er auf Mendelssohns "Flügeln des Gesangs" gleitet oder
in Mozarts "Veilchen" einen gaumigen Hauch von Erotik sprießen lässt, das
wühlt das Herzblut ebenso auf, wie es die Tränendrüse in Gang setzt.
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