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Concerti, 4. März 2024
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Von Roland H. Dippel
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Starkes Wagner-Abenteuer |
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Der
Wiener „Parsifal“ mit Jonas Kaufmann in der Titelrolle ist auch bis in die
kleinsten Partien hinein hervorragend besetzt.
Der Glanz im Vorspiel
ist nicht nur betörend, sondern malt auch die dogmatische Unerbittlichkeit
der verkrusteten Gralsgemeinschaft. Philippe Jordan erweist sich im
Live-Mitschnitt der verstörenden Inszenierung von Kirill Serebrennikow als
idealer Dirigent für Wagners komplexes Bühnenweihfestspiel. Er gibt dem
hervorragenden wie außergewöhnlichen Sängerensemble Sicherheit, Energie,
Expansions- und Artikulationsfreiheit. Zum Beispiel kann Georg Zeppenfeld in
der extrem langen Partie des Gurnemanz in seine fulminante
Textverständlichkeit noch betörende Fermaten setzen, kultiviert Elīna
Garanča als Kundry wildeste Chromatik mit liedartigen Piano-Zellen und
entfaltet Jonas Kaufmann als Parsifal sogar in kurzen Einwürfen seine dunkle
Tiefe. Ludovic Tézier ist ein untypisch potenter Schmerzensmann Amfortas,
Wolfgang Koch ein spannend charakterisierender Klingsor. Alle kleineren
Partien sind hervorragend besetzt.
Die sakrale Scheinaura wird furios
entweiht und mit packender Dramatik verdichtet. Der Kampf mit der
Sinnhaftigkeit der Rituale wird wichtiger als diese selbst. Und man hört,
wie weit Wagner mit koloristischem Material und sich auflösender Tonalität
in seiner ersten explizit für das Bayreuther Festspielhaus komponierten
Partitur sich Richtung Moderne vortastete. Opulente Archaik in den
Rahmenakten und das Fluidum impressionistischer Leuchtraketen vereinen sich
zu musikdramatischer Hitze und kalter Glut.
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