Der Westen, 20.11.2009
Lars von der Gönna
Tenor Jonas Kaufmann und die schöne Müllerin
 
Der deutsche Tenor Jonas Kaufmann singt Schuberts Liederzyklus "Die schöne Müllerin" mit Licht und Schatten. Lyrische Intimität sucht man vergeblich, für die zahlreichen Fans des schönen Münchners aber sicher kein Fehlgriff.
Man möchte meinen, der deutsche Tenor Jonas Kaufmann sei jetzt in einer Phase, in der einem Sänger alles gelingt. In Paris singt er gerade Verdis Requiem, es folgt Carmens Don José an Mailands legendärer Scala und den Vertrag für den nächsten Bayreuther Lohengrin hat er auch schon in der Tasche.

Aber haben wir all das bei anderen schnell und viel Bewunderten nicht schon erlebt? Wo zum Beispiel ist eigentlich Cheryl Studer geblieben, die eine Weile Opernplatten im Dreimonatstakt herausgebracht hat, auf der ganzen Welt Rosalinde (Fledermaus), Lucia (Donizetti) und Sieglinde (Walküre) war – und plötzlich ausgebuht wurde. Und heute ein Nichts im Opernleben der Welt ist. Dabei ist sie erst 54 – das ideale Alter für jene große Isolde, als die Kenner und Fans sie längst sahen. Vorbei, verschlissen aus eigener Schuld und hereingefallen auf die Verlockungen und Begehrlichkeiten eines immer aggressiver agierenden Marktes. Man wird sehen, wie Kaufmann ihn besteht.

Als Liedsänger zeigt er sich in seinem neuen Album. Die Bandbreite haben viele Wagner-Tenöre schon einmal nicht, also Respekt. Das Hören aber ist dann doch ein gespaltenes Vergnügen. Vielleicht ist man schon geimpft durch die Lektüre des Beiheftes. Da steigt Kaufmann zumindest andeutungsweise aufs hohe Ross, glaubt, nur eine junge Stimme könne Schuberts „Die schöne Müllerin” ideal gestalten. Da fällt einem die 2008 erschienene, großartige Deutung des zwölf Jahre älteren Christoph Prégardien ein. Aber vielleicht hat man sie besser nicht im Ohr, dann fiele Kaufmanns leicht gequetschte Höhe („War es also gemeint?”) auf und erst recht seine bisweilen befremdlich gebildeten Vokale (sein „Ja” ist ein „Jeaeia” oder so).

Gleichförmiges Timbre
Kaufmanns „Schöne Müllerin” (bei Decca) ist für eingefleischte Fans, von denen der schöne Münchner so viele hat, kein Fehlgriff. Die fürs Kunstliedfach eher große Stimme ist müllerburschikos zupackend, schnelle Stücke meistert der 40-Jährige mühelos. Ein Pluspunkt ist zudem der souveräne, dabei alles andere als grau-routinierte Helmut Deutsch (er war einst Kaufmanns Professor an der Musikhochschule) am Flügel. Doch wer aufrichtige lyrische Intimität sucht, die über schmerzenreiches akustisches Grimassieren hinausgeht, der wird mit diesem Mitschnitt kaum glücklich. Kaufmanns Timbre ist gleichförmig, arm an Farben, manchmal unfreiwillig matt.

Ist das ein Nörgeln auf hohem Niveau? Mag sein. Mag sein, dass man froh und dankbar sein sollte, dass sich auf Deutschlands Sängerlandkarte überhaupt wieder einmal eine Tenorspitze abzeichnet. Ob er aktuell künstlerisch gut beraten ist, lässt sich schwer sagen. Nicht alle seine Weggefährten scheinen vom Fach. Wir zitieren Kaufmanns Website: „Jonas Kaufmann wird exklusiv ausgestattet von Strenesse.” „Jonas Kaufmann ist Partner von BMW.”






 
 
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