NDR Kultur Neue CDs, 21.10.2009
Vorgestellt von Dieter Kranz
 
Die schöne Müllerin
 
Eigentlich ist es bei einem Sänger mit den Ambitionen und der Gestaltungs-Meisterschaft eines Jonas Kaufmann verwunderlich, dass es bisher noch keine CD mit der "Schönen Müllerin" von ihm gab, obwohl er natürlich Schuberts Lieder-Zyklus auf dem Konzertpodium schon oft gesungen hat. Umso mehr darf man auf die Interpretation gespannt sein, die der Tenor und sein Begleiter Helmut Deutsch auf der neuen CD anbieten. Aufgefordert, einen der großen Lieder-Zyklen von Franz Schubert für eine CD-Produktion auszuwählen, hätten sich die meisten Sänger sicher für die "Winterreise" entschieden. Jonas Kaufmann aber wählte "Die schöne Müllerin" und erklärt: " Die ganze Geschichte kann überhaupt nur dann funktionieren, wenn es sich um einen ganz jungen, völlig unerfahrenen Mann handelt, der sich zum ersten Mal ganz heftig verliebt."

So weit, so gut. Aber wenn Jonas Kaufmann, der gerade 40 Jahre alt geworden ist, daraus ableitet, es habe sich für ihn um die letzte Möglichkeit gehandelt, die "Schöne Müllerin" überzeugend einzuspielen, kann man sich nur wundern. Denn natürlich weiß er, dass es auf das Alter gar nicht so genau ankommt.

Himmelhochjauchzend - zu Tode betrübt

Wichtig ist jedoch die Fallhöhe, die zwischen dem spielerisch lockerem Anfang und dem tragisch zugespitzten Schluss entsteht. Dass Jonas Kaufmann seine Mittel perfekt beherrscht und damit den unbekümmerten jungen Burschen des Anfangs ebenso reich und vielfarbig gestalten kann wie den am Ende tragisch Scheiternden, das steht sowieso außer Frage. Vor allem imponiert, wie die schon im Werk angelegten Gefühlskontraste bis ins Extrem gesteigert werden.

Der gleichsam explodierenden Gefühlsbekundung folgt in einem wahrhaft traumhaften Pianissimo die zärtlichste Liebesbeschwörung, die sich denken lässt. Aber wenn der Verliebte seinen Zorn über einen offenbar erfolgreicheren Nebenbuhler ergießt, dann modelliert Jonas Kaufmann das Grundgefühl der Eifersucht mit 1000 Facetten weiter aus, ohne dabei der Gefahr zu erliegen, dass der überwältigende Reichtum in Einzelheiten zerfallen würde.

Ein Lieder-Zyklus der Superlative

Der Opernsänger Jonas Kaufmann hat mehr als einmal seine Vielseitigkeit bewiesen. Doch mit dieser Interpretation der "Schönen Müllerin" lernen wir ihn wieder von einer neuen Seite kennen. Und ohne dass er noch einmal ausdrücklich auf das Thema zurückkommen müsste, versteht man am Ende sehr gut, warum er sich gerade für diesen Lieder-Zyklus entschieden hat. Jonas Kaufmann weist selbst darauf hin, wie nützlich die Auseinandersetzung mit einem solchen Werk für jeden Sänger ist.

"Man benutzt die Stimme hier mit Techniken, in Registern und mit einer Dynamik, die im normalen Opernbetrieb nicht vorkommen. Insofern ergibt sich ganz nebenbei eine Kur für den Gesang, die Arbeit bietet Medizin für die Stimme. Man kehrt zurück zu den Wurzeln."

Wer sich sowieso von dieser CD viel versprochen hatte, bekommt noch mehr als er erwartete. Die Einspielung gehört zu jenen Raritäten, bei denen jeder lobende Superlativ verdient ist.






 
 
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