
Jonas Kaufmann allerorten. Im Kino ist er präsent, im Fernsehen, auf
der Opernbühne, und natürlich auch auf dem Tonträgermarkt. Nach
neuem Solo-Album und »Aida«-CD-Einspielung ist nun sein Londoner
Puccini-Des Grieux aus dem Vorjahr auf DVD erschienen. Und der
deutsche Startenor beweist einmal mehr, dass ihm Puccini bestens in
der Kehle liegt. Vom breiten baritonalen Fundament der Stimme aus
steuert er glanzvolle Spitzentöne an, ohne dass ihn die hohe
Tessitura der Rolle je in Bedrängnis bringt. Immer wieder gelingen
berückende Piani und Schwelltöne, Legatobögen werden ruhig auf dem
Atem geführt, auch wenn die Mimik ab und an eine gewisse Anspannung
verrät. Doch ist die stimmliche Prachtentfaltung bei Kaufmann nie
Selbstzweck, sondern steht ganz im Dienst der Rollengestaltung, bei
der sich schauspielerische und stimmliche Interpretation in idealer
Weise ergänzen und durchdringen. So macht er den Wandel vom
unbekümmerten Jüngling zum tragisch Scheiternden in beklemmender
Weise deutlich, ohne je weinerlich zu wirken.
Auch Kristine
Opolais ist eine Singschauspielerin ersten Ranges. Als Girlie im
kurzen Kleidchen betritt sie in Jonathan Kents greller
Jetztzeit-Fassung die Bühne, färbt die Stimme entsprechend hell und
mädchenhaft. Im zweiten Akt — Manon wird in dieser Inszenierung
gnadenlos zum Lustobjekt degradiert — mischt sie vorsichtig dunklere
Farben bei, lässt im großen Liebesduett die Stimme erstmals
leidenschaftlich auflodern. Im Schlussbild dann, hoch oben aufeiner
geborstenen Autobahnbrücke irgendwo im Niemandsland, fordert Opolais
ihren Sopran bis zum Äußersten. Intensität geht hier auf Kosten der
Klangschönheit und überwältigt doch den Zuschauer in ihrer
beklemmenden Kompromisslosigkeit.
Großes Augenmerk hat der
Regisseur auf die Nebenfiguren gelenkt. So mausert sich Christopher
Maltman (auch stimmlich herausragend) vom lässigen Jeans- und
Turnschuh-Typen zum Möchtegern-Yuppie in Sakko und Rüschenhemd. Ganz
als Biedermann kommt Geronte (Maurizio Muraro) daher und wirkt doch
eklig-schmierig in seiner wohlbeleibten Behäbigkeit. Nur der dritte
Akt will vom Konzept her nicht richtig aufgehen. Das Defilee der
Deportierten gerät zur Reality-Show, von lüsternen Kameras
distanzlos verfolgt. Doch wohin werden die Frauen gebracht? Und
wohin will Des Grieux mitgenommen werden? Da werden dann doch die
Grenzen der Zeitverlegung spürbar.
Hier hält man sich besser
an Antonio Pappanos herausragendes Dirigat. Mit Energie und
Leidenschaft durchmisst er die Partitur und lässt doch immer wieder
Ruhepunkte von berückender Schönheit zu. Und wenn zum Schluss die
Akkorde leer und trostlos im Raum stehen bleiben, dann wünscht man
sich sehnlichst einen Moment der Stille. Dazu aber muss der
Zuschauer selbst den Ausschaltknopf betätigen, denn das Londoner
Publikum verleiht seiner Begeisterung sofort lautstark Ausdruck.
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