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Klassik Heute, 03.10.17 |
Ekkehard Pluta |
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L'Opéra |
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Jonas
Kaufmann, mittlerweile Superstar im internationalen
Musikbetrieb, und sein CD-Label Sony legen erneut ein Recital
vor, das diesmal der französischen Oper gewidmet ist. Man muß
aber nicht gleich kommerzielles Kalkül argwöhnen, denn der
Sänger hat eine enge Beziehung zu diesem Repertoire und ist auch
mit der Sprache und dem Idiom dieser Musik vertraut. Da der
spezifisch französische Gesangsstil unterdessen ausgestorben ist
– der letzte große Vertreter im Tenorfach war Alain Vanzo
(1928-2002) -, kann man den Bemühungen des deutschen Sängers,
sich diesem anzunähern, den Respekt nicht versagen. Die ihm hier
abverlangte Palette reicht vom leichten lyrischen bis zum
Heldentenor; in der Praxis wird das nicht von einem einzigen
Sänger bestritten, Kaufmann sucht aber für jedes dieser
Stimmfächer eine Haltung, wobei unüberhörbar bleibt, dass ihm
die heroischen Töne mehr liegen.
Dieses Recital wurde
kurz vor der Londoner Otello-Produktion aufgenommen, in der
Kaufmann sein Rollendebut in der Titelrolle gab. Und ein
bisschen hört man das einigen Titeln auch an. Etwa der
einleitenden Arie des Roméo („Ah! Lève-toi, soleil!“), in der
man keinen entflammten Jüngling im Liebesrausch hört, sondern
einen Mann in den besten Jahren, der seiner Julia im ähnlichen
Tonfall begegnet wie Otello seiner Desdemona (vgl. „Già nella
notte densa“). Auch in den anderen lyrischen Nummern spürt man,
dass Kaufmann zwar immer eine genaue Klangvorstellung hat, aber
nicht in allen Fällen über das Instrument verfügt, sie auch
umzusetzen. Er muß die Stimme oft etwas vergewaltigen, wenn er
zurücknehmen will. Bei Wilhelm Meister gerät er dabei ins
Säuseln, aber auch Werther und Don José, zwei frühere
Glanzrollen, wirken in der Zurücknahme der vokalen Power etwas
bemüht, das intendierte mezza voce ist nicht genügend geerdet,
erscheint simuliert, wobei die voix mixte im Schluß-B der
Blumenarie nahe am Falsett ist.
Erstaunlich gut gelingt
dagegen die vokale Schwerelosigkeit in der Aubade des Mylio, wo
der Sänger vom graziös-tänzerischen Orchester vortrefflich
akkompagniert wird. Auf der Haben-Seite steht auch das populäre
Perlenfischer-Duett, in dem sich der baritonale Tenor Kaufmanns
mit dem tenoralen Bariton Ludovic Téziers hervorragend mischt
und beide Sänger mit dramatischem Elan aufeinandertreffen.
Dieser Elan teilt sich auch in der Konventsszene aus Manon mit,
wo sich Des Grieux mit allen Kräften dagegen wehrt, Manon erneut
zu verfallen. Sonya Yoncheva ist eine stimmlich attraktive, aber
nicht sonderlich verführerische Partnerin. Dem jetzigen Status
seiner zum Heldentenor vordringenden Stimme kommen am meisten
Rollen wie Rodrigue (Le Cid), Eléazar (La Juive) und Enée (Les
Troyens) entgegen (Samson fehlt noch in dieser Runde), deren
Arien und Szenen Kaufmann klug und differenziert gestaltet.
Wie schon in dem früheren Puccini-Album ist auch hier die
sorgfältige Edition zu loben. Entgegen der heute üblichen
Häppchen-Kultur werden nicht Arien-Highlights aneinandergereiht,
sondern die einzelnen Nummern in einen musikdramatischen
Zusammenhang gestellt. Da ist Zeit für die einleitenden
Rezitative wie für längere Vor- und Nachspiele des Orchesters.
Und mit dem Bayerischen Staatsorchester steht da ein Klangkörper
zur Verfügung, der mit dem Tenor sehr vertraut ist und sich
unter Bertrand der Billys Leitung nicht aufs reine Begleiten
beschränkt, sondern den Stil und die Atmosphäre der einzelnen
Stücke gut einfängt
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