Salzburger Nachrichten
Florian Oberhummer
 
Corona treibt große Opernstimmen zum Lied
 
Gute Popsongs beschreiben in drei Minuten eine (Gefühls-) Welt, Franz Liszt gelingt Ähnliches in 86 Sekunden. „Himmelhoch jauchzend / zum Tode betrübt / glücklich allein ist die Seele, die liebt", heißt es „Freudvoll und leidvoll". Jonas Kaufmann offenbart innerhalb weniger Takte eine breite Skala an vokalen Gefühlsschattierungen.

Der beliebte Operntenor benötigt für seine Kunst Dramatik, die auch Franz Liszt nicht fremd ist. Dessen Lieder- und Opernparaphrasen sind pianistisches Virtuosenfutter, als reiner Liedkomponist ist er kein Stammgast in den Konzertsälen. Dabei ist die musikalische Verwandtschaft zu seinem Schwiegersohn Richard Wagner unverkennbar. Für diese chromatisch gefärbte, hoch emotionale Musik ist jene heldische Kraft vonnöten, über die Jonas Kaufmann — wie zuletzt sein Tristan-Debüt in München zeigte — im Übermaß verfügt.

Der Saisonstart an der Bayerischen Staatsoper ging ohne den Publikumsliebling über die Bühne. Ausgerechnet im Urlaub zog er sich eine Luftröhrenentzündung zu, „der Klassiker schlechthin", teilte ein sichtlich angeschlagener Jonas Kaufmann via Instagram mit. Auf dem Tonträgermarkt zehrt Kaufmann hingegen von seiner intensiven Aufnahmetätigkeit während des Corona-Lockdowns im Frühling 2020. Als weder Reisetätigkeit noch Projekte mit Orchestern möglich waren, besann er sich auf die kleine Form des Klavierlieds. Dabei entstand auch eine Reihe von Liszt-Aufnahmen, die unter dem Namen „Freudvoll und leidvoll" nun zu einem Album gebündelt wurden. „Corona hat uns dabei geholfen", erzählt Jonas Kaufmann.

Klavierbegleiter Hellnut Deutsch, der dieses Projekt vorantrieb, hat in diesen Liedern mitunter immense technische Hürden zu bewältigen, von schlichter Hausmusik sind die drei gewichtigen Petrarca-Sonette mit ihren dicht gewobenen Klavierzwischenspielen weit entfernt. Auch die italophile Opernstimme Jonas Kaufmanns entfaltet in diesem Zyklus ihre volle Größe, die dramatischen Szenen klingen unangestrengt und der LegatoSchmelz ist hinreißend. Sein Liszt-Album wirft Schlaglichter auf ein verborgenes Schaffensfeld des großen Klavierkomponisten.



















 
 
  www.jkaufmann.info back top