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Salzburger Nachrichten, 3. Oktober 2018 |
FLORIAN OBERHUMMER |
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Zwei große Opernstimmen entdecken das Flair des Südens |
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"Italienische Nacht" und
lateinamerikanische Rhythmen: Neue Alben von Jonas Kaufmann und Juan Diego
Flórez. |
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Einer
der ersten war wohl Fritz Wunderlich. Der Tenor-Charismatiker
(1930-1966) hatte neben Tamino, Almaviva oder Lenski auch den
Schlager-Entertainer im Repertoire. Seither beschäftigen sich alle Jahre
wieder große Opernstars mit der etwas leichteren Muße. Dass die
Tenorstimme auch das Potenzial hat, eine populäre Melodie auf ein
anderes Level zu bringen, bewiesen vor allem die Drei Tenöre in jenem
magischen Sommer 1990, als eine große Fußball-Weltmeisterschaft in
Italien mit einem Jahrhundert-Konzert gekrönt wurde. José Carreras,
Plácido Domingo und Luciano Pavarotti fanden damals eine perfekte
Schnittmenge zwischen Belcanto und San Remo. "O sole mio" nahm ungerührt
neben "Nessun dorma" Platz, und drei Klassik-Könner im Frack eroberten
die Popcharts.
Wie gehen nun die großen Tenöre unserer Zeit mit
dieser Gratwanderung um? Jonas Kaufmann hat längst die Scheuklappen
abgelegt, und bietet neben reinen Operneinspielungen auch Mischkost wie
"Du bist die Welt für mich" oder "Dolce vita" an. Nun ist der Mitschnitt
seines Auftritts in der Berliner Waldbühne erschienen. Ein Open-Air vor
rund 15.000 Besuchern - da darf es auch ein bisserl
publikumsfreundlicher sein. Kaufmann vermengt große Arien - etwa aus der
"Cavalleria Rusticana" - mit dem Melos der italienischen Canzone. Eine
solche ewige Melodie ist Romano Mussacarras "Il canto", die einst auch
Pavarotti veredelte. Nun nimmt sich der Münchener Tenor mit der
georgischen Mezzosopranistin Anita Rachvelishvili dieser Canzone an.
Kaufmann ist seit seiner Kindheit italophil. Wie viele andere dieses
Kulturkreises hat er die Sommerurlaube an den nahen Stränden verbracht.
Seine Affinität zur Sprache ist dem Konzertmitschnitt anzuhören: Sein
Italienisch klingt natürlich und unprätentiös. Nicht jede Nummer
profitiert vom opulenten orchestralen Klangteppich des
Rundfunkorchesters Berlin: "Volare" etwa verliert den luftigen Drive des
Originals und tritt als Kunsthandwerk auf der Stelle. Nach einem
Zwischenstopp bei Nino Rotas Filmmusik für "Der Pate" kommt Kaufmann
zuletzt in Puccinis "Nessun dorma" doch wieder zurück in die Welt der
Großen Oper, begeistert mit dem kraftvoll gehaltenem Hohem H der
entscheidenden Fermate: Das weckt durchaus Erinnerungen an "Big
Luciano".
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