Opernglas, März 2016
M. Wilks
 
La Forza del Destino
Eine Besetzung, die Musikliebhaber-Herzen höherschlagen lässt: Die Rede ist von Jonas Kaufmann und Anja Harteros. Beide waren nach der Premiere an der Bayerischen Staatsoper im Dezember 2013 (OG 2/2014) für zwei weitere Aufführungen von Verdis »La Forza del Destino« im Juli 2014 am Nationaltheaterzu erleben gewesen. Wie schön, dass davon ein Mitschnitt existiert, zeigt er doch die singuläre Leistung dieser beiden Künstler.

Vor allem Anja Harteros begeistert auf dieser Aufnahme, weil sie die Emotionen der Leonora mit unvergleichlichem Schmelz und starker Intensität auszudrücken vermag. Vielleicht könnte man die eine oder andere Stelle (beispielsweise die „Pace"-Rufe) noch eine Spur ruhiger singen, insgesamt jedoch ist die Kombination aus technischer Souveränität (Phrasierung, Legato, Dynamik) und Gespür für Klangfarben nahezu perfekt gelungen.

Ganz ähnlich ergeht es einem mit Jonas Kaufmann, dem der Alvaro perfekt in der Kehle liegt und dessen glutvolle Interpretation sich durchaus von großen Rollenvorbildern unterscheidet. Natürlich zeigt er mehrfach sein klangvolles Pianissimo — doch insgesamt legt er die Rolle draufgängerisch an, was wohl auch an der Regie von Martin Kusej liegen mag, der in seiner Inszenierung den Kontrast zwischen der bürgerlichen Heiligen (Leonora) und dem wilden Außenseiter (Alvaro) betont. Dabei bietet er ein unvergleichliches Gesamtpaket aus Gesang, Optik und leidenschaftlichem Spiel.

Ludovic Tézier (Don Carlo) agiert stimmlich mit einer ähnlichen Selbstverständlichkeit und Mühelosigkeit wie Kaufmann und passt zudem klanglich gut zu ihm. Mit dunklem Mezzo bringt Nadia Krasteva als Preziosilla weitere Farben ein, Renato Girolami (wenn auch mit etwas angekratzter Höhe) weiß als Melitone szenische und gesangliche Akzente zu setzen. In der Doppelrolle als Calatrava/ Guardiano überzeugt Vitalij Kowaljow mit profundem Bass. Tadellos präsentieren sich der Staatsopernchor (Sören Eckhoff) und auch das manchmal sehr zupackende, dann lyrische Szenen auskostende Bayerische Staatsorchester unter der Leitung von Asher Fisch.

Kusej arbeitet in seiner Inszenierung den religiösen Gehalt der Verdi-Oper heraus und deckt Parallelen zwischen Kirche und Familie hinsichtlich patriarchalischer Strukturen sowie deren oft menschenverachtende Auswirkungen auf. Das führt zu einer szenischen Auseinandersetzung mit der Macht der Glaubensvertreter. Martin Zehetgruber hat hierfür beeindruckende Bühnenbilder entworfen. Besonders gelungen ist ein Labyrinth aus großen, weißen Kreuzen für den vierten Akt, wohingegen der kühle Raum bei den mafiaartigorganisierten, religiösen Calatravas und die mehrfach verwendeten Holzwände kaum Atmosphäre erzeugen. Dank einer geschickten Kameraführung mit vielen Großaufnahmen gewinnt die auch optisch durchaus beeindruckende Inszenierung an Format und stellt die so glaubhaft agierenden Sängerdarsteller in den Mittelpunkt. Verdi zum Genießen—in einem mal sachlich-nüchternen, mal spektakulären Umfeld.






 
 
  www.jkaufmann.info back top