Freie Presse, 18.12.2014
Von Marianne SCHULTZ
 
Hits der Operette aus der Berliner Traumfabrik
Jonas Kaufmanns schönste Liebeserklärung: "Du bist die Welt für mich"
Jonas Kaufmann, der Lieblingstenor der Deutschen, erlaubt sich derzeit die schönste Offerte: Er erinnert mit den berühmtesten Tenorarien an die Großen des letzten Jahrhunderts, und dies nicht in weichgezeichneten Wohlfühlarrangements, sondern im Originalklang. "Du bist die Welt für mich" umfasst die Melodien einer legendären Ära. Soweit, so gut. Nur hätte man die Edelsteine der Operette kaum zu diesem frühen Zeitpunkt seiner Karriere als gefeierter Wagner- und Verdi-Interpret erwartet, denn Kaufmanns Rolleninterpretationen des Siegmund, Lohengrin, Werther, Cavaradossi oder Don José fesseln und erschüttern die Opernfans in aller Welt. Auch dieses Jahr schenkte man ihm, der immer noch an Repertoire zulegt, ungeteilte Aufmerksamkeit, zuletzt in Hans Neuenfels' Inszenierung der "Manon Lescaut" von Giacomo Puccini in München. Wieder wird das Phänomen Kaufmann, diesmal als Des Grieux, in den hellsten Tönen beschrieben, dessen enorme Strahlkraft besungen, obwohl Anna Netrebko wenige Wochen zuvor spektakulär aus der Titelpartie ausgestiegen ist.

Das Schöne an Kaufmann ist, dass er dank immer weiter greifender Popularität seine Entdeckertour fortsetzt und dabei sein Publikum geradezu mitreißt. "Du bist die Welt für mich" ist Programm und reicht von Franz Lehár "Gern hab ich die Frau'n geküsst" bis Korngolds innig berührendes "Glück, das mir verblieb" aus der Oper "Die tote Stadt" (derzeit auf dem Spielplan der Oper Chemnitz), dazwischen das schwelgerische Kálmán-Lied "Grüß mir mein Wien", das zu sehnsüchtigen Träumen hinreißt, und Lehárs triumphales "Dein ist mein ganzes Herz" und das noch viel triumphalere "Freunde, das Leben ist lebenswert". "Ein Lied geht um die Welt" verbindet kraftvoll, die großen Hits der 1930er-Jahre aus der Traumfabrik Berlin klingen schöner denn je.

"Mein Großvater hat zu dieser Zeit in Berlin studiert, und er hat die Evergreens auf der Straße gepfiffen", sagt Jonas Kaufmann im Begleittext seiner CD. "Darüber hinaus hat mich diese legendäre Ära deutscher Kulturgeschichte schon immer fasziniert, denn es war eine ungeheuer produktive Zeit. Viele Hits von damals haben überlebt, aber was wir heute kennen, ist ja nur die Spitze des Eisbergs, da gibt es viele wunderbare Stücke zum Wieder-Entdecken." Von Säuseln bis Schmettern, von Schmusen bis Schlager, die gesamte stimmliche Bandbreite des Künstlers ist gefordert, der Ausflug ins Operettenfach nur scheinbar ein leichter, das Gegenteil ist der Fall. Es ist ein Wahnsinnskönnen, das nicht allein mit Stimme, Charme und Attraktivität zu erklären ist, vielmehr Assoziationen an die Jahrhunderttenöre Richard Tauber, Fritz Wunderlich, Joseph Schmidt weckt. Was in sagenhafter Natürlichkeit so federleicht klingt, ist nur scheinbar mühelos: Das Wunder Jonas Kaufmann wirkt fort. Der Kultursender Arte zeigt am 4. Januar ab 17.35 Uhr den Film "Jonas Kaufmann: Berlin 1930", darin erforscht Kaufmann die Geschichte seiner Lieder in Archiven, in Gesprächen mit Musikerfamilien, an historischen Orten. Im Anschluss um 18.30 Uhr zeigt Arte sein Konzert aus dem Funkhaus Berlin.









 
 
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