|
|
|
|
|
WAZ, 19.09.2014 |
Lars von der Gönna |
|
Tenor Jonas Kaufmann singt Schlager |
|
Startenor auf den großen Opernbühnen der Welt: Mal glänzt Jonas Kaufmann an der Met in New York mit Wagner, mal als großer Verdi-Sänger in München. Jetzt verneigt er sich vor Richard Tauber und anderen Großen, die keine Berührungsangst vor Schlager und Operette kannten. Seine neue CD heißt „Du bist die Welt für mich“. |
|
Eine
Zeit lang, es ist noch nicht lange her, war es für große Sänger
der Opernwelt regelrecht tabu, ein melodiöses Schmuseständchen
anzustimmen. Die bedauerliche Leerstelle hat mehr als einen
Grund. Einerseits ließ in den 1970ern die telegene Allgegenwart
der schmetternden Schocks und Rothenbergers den Rest der Branche
zögern. Kenner wussten allerdings, dass ihr Stern auf den
bedeutenden Bühnen der Welt längst sank. Andererseits hatte es
eine entscheidende Veränderung in der Musik selbst gegeben.
Waren die Schlager- und Operettenkomponisten der goldenen Ära
noch erstklassige, größtenteils klassisch ausgebildete Künstler,
mogelte sich später mehr und mehr rhythmische Ramschware ins
Genre.
„Du bist die Welt für mich“ singt Jonas Kaufmann
seit dieser Woche auf dem Plattenmarkt. Das ist derzeit in.
Zuletzt haben Kaufmanns Kollegen Klaus-Florian Vogt und Diana
Damrau die Schneise ins Leichte ansehnlich freigegeben. Außerdem
könnte der Deutschen liebster Tenor derzeit vermutlich auch das
Branchenbuch von Bielefeld vertonen: Die Menschen liebten es –
und lauschen.
Soll man schmettern oder schlucken?
Ja, Kaufmann ist in starker Form, das muss man bei seinem
üppigen Pensum von Wagner bis Puccini an ersten Opernbühnen
schon sagen – und doch hat er sich Zeit genommen für dieses
Bekenntnis zu einer anderen Art von Musik. Operetten-Arien,
Tonfilmschlager. Soll man schmettern oder schlucken, wenn deren
Texte Frauen (mit Strohspielzeug vergleichend) „Diwanpüppchen“
nennen? So etwas sexistisch zu nennen ist wohl nicht allein
Aufgabe von Alice Schwarzer: „Wenn man sie niederlegt, macht sie
die Augen zu, genau wie du!“
Ja, wenn die Melodien nicht
so grandios eingängig wäre, könnte man glatt einen Bogen machen.
Aber wie raffiniert und mit welchem kompositorischen Können Paul
Abraham, Ralph Benatzky („Es muss was Wunderbares sein“), Hans
May („Ein Lied geht um die Welt“) Liebesseufzer zu Musik
machten, das hat an Charisma bis heute nichts eingebüßt. Und so
hören wir den modernen (Kauf-)Mann mit einer (fast)
unwiderstehlichen Hommage an Unterhaltungsmusik des frühen 20.
Jahrhunderts. Blaues Himmelbett, Himmelszelt, Mondenschein,
Sonnenschein: Womit man sich eben tirilierend tröstete vor dem
Krieg, nach dem Krieg, vor dem nächsten Krieg...
Keckes wie Kavalierstöne: beides ist gefragt
Kaufmanns Stimme geht gut auf in jener Klangwelt, die der Kehle
Keckes wie Kavalierstöne abverlangt. Über seine gaumige
Mittellage, die Garstige frech „Knödeln“ nennen, ist viel gesagt
worden. Klug aber nimmt er sich zurück, wenn „Im Traum“ zunächst
eher leichter Schlagertenor gefragt ist, ehe er in den letzten
Takten sein traumschönes Piano aktiviert, schwerelos,
überirdisch. Mitunter hätte man Kaufmann Arrangements gewünscht,
die weniger auf Ulk-Akustik bauen als hier Andreas Tarkmann.
Berlins Rundfunksinfonieorchester unter Jochen Rieder eskortiert
mal seidig, mal (zu) schmissig.
Dass dieser vom Erfolg so
beschenkte Mensch ein Album herzigster Liebeserklärungen abgibt
im Jahr seiner Trennung von Ehefrau Margarete, lässt sich beim
schwelgendsten Hören seltsamerweise nicht ganz wegdenken. Schein
und Sein versöhnen eben auch Schlager nicht grenzenlos.
|
|
|
|
|
|
|