Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ), 27. März 2009
Dirk Aschendorf
Das Recht aufs erste Mal
Die EMI führt zwei Stars der Opernbranche für Puccinis traurigste Liebesgeschichte zusammen.Angela Gheorgiou ist "Madama Butterfly", ihren amerikanischen Liebhaber singt Jonas Kaufmann
Betört mit ihrer ersten Butterfly: Angela Gheorghiu.
Wenn die EMI als einziges Label im Puccini-Jahr sich zu einer der mittlerweile raren Studioaufnahmen hinreißen lässt, muss das überzeugende Gründe haben. Denn an "Madama Butterfly"-Einspielungen herrscht wirklich kein Mangel.

Liegen doch allein im Hause EMI mehrere Einspielungen von Puccinis japanisch-amerikanischer Tragödie vor. Immer wieder gerne gehört: die Callas mit noch wunderbar versammelter Stimme und der erlesen-lyrische Nicolai Gedda unter Karajan (1955) oder die engelgleiche Victoria De Los Angeles mit Schwedens Tenor-Star Jussi Björling, die Gabriele Sabatini 1960 so wundersam weich wie auf orchestralen Daunen bettet. Und schließlich, sechs Jahre später, eine Renata Scotto als Butterfly mit betörendem Piano ihrer Stimme, die noch nichts von der später oft säuerlich-strapazierten Höhe ahnen ließ. Carlo Bergonzi, eigentlich der Verdi-Tenor der 1960er Jahre, kraftvoll, stets elegant, fährt besonders im Schluss-Akt grandios auf. Und John Barbirolli lenkt das Orchester der Oper Rom zwar bedächtig, erweist dafür aber der Schönheit der Partitur stets mehr als nur gefällige Reverenz.

Auch die DECCA ließ sich nicht lumpen und schickte 1974 Mirella Freni und Luciano Pavarotti neben der leicht unidiomatischen Christa Ludwig als Suzuki in den Ring. Wer hier Karajan-Klang mit den Wiener Philharmonikern auf Luxus Niveau erleben will, interpretatorisch aber auf die existenziellen Nöte der Puccini-Figuren zu verzichten bereit ist, mag hier zugreifen.

Und so landen wir beinahe automatisch wieder bei der EMI, die ihre Butterfly-Palette nun auf der Höhe der Zeit erweitert. Überraschung: Angela Gheorghiu rauscht nicht im vormals noch unausweichlichen Doppelpack mit Ehemann Roberta Alagna ins Studio. Die schöne Rumänin mit der prachtvollen Stimme hält sich vielmehr an den jungen, dunkelgelockten deutschen Tenor-Shooting-Star Jonas Kaufmann. Beiden gewährt die EMI das Recht aufs erste Mal. Denn die wohl traurigste aller Puccini-Opern haben weder Gheorghiu noch der gebürtige Münchener bisher auf der Bühne oder im Studio gestaltet. Und mit dem ebenfalls der jüngeren Generation angehörenden Antonio Pappano am Pult des Orchesters des römischen Renommierinstituts der Accademia di Santa Cecilia, gelingt wahrhaft ein Coup.

Nicht nur, dass die Gheorghiu - ohnehin eine der zurzeit führenden Puccini-Interpretinnen - mit selten intensivem Ausdruck der Seelenqual der 15-jährigen Japanerin nachspürt. Ihre Stimme scheint auf dem Zenit. Weich, voll, bruchlos. So zaubert die Sopranistin nuancenreich immer wieder auch mädchenhafte Töne voll hintergründiger Zartheit, denen Pappano in feinabgestufter Schroffheit allzu gefällige Süße nur bisweilen zugesteht.

Auch beim amerikanischen Tenor-Macho Pinkerton gehen weder Pappano noch Kaufmann Kompromisse ein. Der Ami will Spaß mit der Kleinen, den bekommt er. Wie auch später eine "echte Amerikanerin" als Ehefrau. Pappanos Orchester knallt wo es geht mit der Macho-Peitsche, Kaufmann gibt den Ami brutal-direkt. Jedoch nicht im Sinne billiger Hau-Drauf-Ästhetik, sondern als Konzept, das aufgeht, im puccinischen Sinn.






 
 
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