|
|
|
|
|
Der Opernfreund, 14. 7. 2014
|
Ludwig Steinbach
|
|
ARIADNE AUF NAXOS |
|
Salzburger Rehabilitierung der Suttgarter Urfassung
Fast hundert Jahre war sie auf den Opernbühnen nicht mehr zu erleben:
Die Urfassung der von Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal mit
Molières Stück „Der Bürger als Edelmann“ gekoppelten Oper „Ariadne auf
Naxos“. Nachdem das Stück bei seiner Stuttgarter Uraufführung im Jahre
1912 durchgefallen war, schufen seine Schöpfer Strauss und Hofmannsthal
vier Jahre später eine um ein Vorspiel erweiterte neue Fassung des
Werkes, die das Stück von Molière gänzlich aussparte. Das ist die
„Ariadne“, die wir heute kennen und wie sie aus der Welt des
Musiktheaters nicht mehr wegzudenken ist. Im Jahre 2012 haben sich dann
die Salzburger Festspiele auf die Stuttgarter Fassung besonnen und das
Werk in seiner ursprünglichen Form, also gekoppelt mit dem Schauspiel,
in einer gelungenen Neuproduktion dem Publikum präsentiert. Der Erfolg
war enorm. Ein Mitschnitt der Premiere vom 29. 7. 2012 ist von dem Label
SONY CLASSICAL jetzt auf DVD herausgebracht worden.
Um es
vorwegzunehmen: Die Anschaffung der DVD ist sehr zu empfehlen. Mag sein,
dass so mancher Opernliebhaber das Stück in der Fassung von 1916
vorzieht. Aber auch dem Werk in seiner ursprünglichen Erscheinungsform
kann man sich nur schwer entziehen, insbesondere wenn es derart
quicklebendig, heiter, munter und vergnügt auf die Bühne des Hauses für
Mozart gebracht wird wie von Sven-Eric Bechtolf und seinen beiden
Mitstreitern, dem Ehepaar Rolf Glittenberg (Bühnenbild) und Marianne
Glittenberg (Kostüme). Die verschiedenen, hervorragend miteinander
harmonierenden Gattungen gehen hier eine vorzügliche Symbiose ein, die
den Zuschauer in beste Laune versetzt. Bechtolf versteht es
ausgezeichnet, die Handlungsträger zu führen; seine Personenregie ist
ausgefeilt, stringent und logisch. Der innovative Überbau, den er der
„Ariadne“ angedeihen lässt, ist überzeugend und trägt zudem den
Intentionen von Strauss und Hofmannsthal Rechnung. Diese hatten ein
Gesamtkunstwerk in Sinne Max Reinhardts im Sinn, der sich im Vorfeld der
erstmaligen Präsentation des „Rosenkavalier“ sehr hilfreich gezeigt
hatte. Dementsprechend spielt auch Bechtolf mit den unterschiedlichen
Genres und vereinigt in seiner Interpretation gekonnt Oper, Schauspiel
und Ballett, wobei die Grenzen fließend sind und sich teilweise
überlappen. Daraus resultiert ein recht harmonisch anmutendes
organisches Ganzes, das für jeden Geschmack etwas bereit hält und derart
die ursprüngliche Absicht von Komponist und Dichter auf das trefflichste
rehabilitiert. Es ist gerade dieses bunte Mit- und Durcheinander, das
den stückimmanenten Dualismus zwischen ernsten und heiteren Aspekten
sogar noch intensiviert.
Der Regisseur integriert gekonnt ein
Stück der Entstehungsgeschichte des Werkes in seine Deutung.
Hofmannsthal hatte sich, obwohl verheiratet, in die junge Witwe Gräfin
Ottonie von Degenfeld-Schonburg verliebt und sie in den Jahren 1910/11,
als er gerade an dem Libretto zur „Ariadne“ arbeitete, in zahlreichen
Briefen über ihren Verlust hinwegzutrösten versucht. Bechtolf nimmt
diesen biographischen Bezug zum Leben des Dichters auf und macht ihn
geschickt zum Ausgangspunkt seiner Inszenierung. Deren äußerer Rahmen
besteht in einer Erzählung Hofmannsthals vom Inhalt seiner auf Molières
„Bürger als Edelmann“ beruhender kurzer Oper „Ariadne auf Naxos“, die
indes immer größere Ausmaße annimmt und an der Dichter und Gräfin
schließlich selbst als Mitspieler in den Partien des Dorante und der
Dorimene partizipieren. Nachhaltig wird hier das Prinzip des Theaters
auf dem Theater bemüht. Psychologisch einfühlsam und subtil schildert
Bechtolf die Beziehung zwischen diesen beiden innerlich tief verbundenen
Menschen und weist Ottonie zunehmend die Funktion eines Alter Egos von
Ariadne zu. Diese Gleichsetzung ist durchaus sinnvoll, denn beide Frauen
teilen dasselbe Schicksal.
Die Erweiterung der ursprünglichen
Handlung um die Liebesgeschichte zwischen dem Dichter und der Gräfin,
durch die dem Ganzen eine zusätzliche Ebene hinzugefügt wird, liefert
Bechtolf die Legitimation für die im Interesse einer Straffung des
Geschehens erfolgte Ansetzung des Rotstifts bei Molières von
Hofmannstahl klug bearbeitetem „Bürger als Edelmann“. Dass insbesondere
bei diesem die Lachmuskeln in hohem Maße beansprucht werden, verdankt
sich in erster Linie dem grandiosen Cornelius Obonya, der aus dem
Monsieur Jourdain ein wahres Kabinettstückchen macht und alle seine -
auch guten - Schauspiel-Kollegen etwas in den Schatten stellt. Mit sehr
aufgedrehtem, ungemein fetzigem, quirligem, temporeichem, lustvollem und
aufgedrehtem Spiel macht er aus dem reichsten Mann Wiens eine ungemein
köstliche Albernheitsstudie. Stefanie Dvorak gibt seine Frau Nikoline
als resolute, wahrlich nicht auf den Kopf gefallene Putze, die ihrem
Popanz von Göttergatten herrlich die Leviten zu lesen weiß. Die
Wortgefechte, die sich das Ehepaar liefert, sind sehr amüsant, genau wie
der „Gockel“ von Haushofmeister, den Peter Matic als aufgeblasenen,
hochnäsigen Tattergreis einfach umwerfend verkörpert. Michael Rotschopf
ist ein nobler, charismatischer Hofmannsthal, dessen Liebe zu der von
Regina Fritsch rührend und anmutig gespielten Ottonie er glaubhaft
vermittelt. Überzeugend ist auch der Schauspieler Thomas Frank in der
Rolle des Komponisten.
Insgesamt ansprechend sind auch die
gesanglichen Leistungen. Emily Magee verleiht der Ariadne mit vollem,
rundem Stimmklang emotionale und tiefgründige Töne. Auch ihre
Linienführung und die Ausdrucksstärke ihres dunkel timbrierten
jugendlich-dramatischen Soprans sind ansprechend. Jonas Kaufmann dürfte
derzeit der beste Vertreter des Bacchus sein. Es ist beeindruckend, mit
welch ausgeprägter Stimmkraft und heldentenoraler Attacke er den Gott,
dessen unangenehm hoch liegende Tessitura ihm nicht die geringste Mühe
bereitet, bewältigt. Ein Glücksfall für die Zerbinetta ist Elena Mosuc.
Ihr Sopran sitzt schön im Körper und weist dennoch die nötige
Leichtigkeit und Flexibilität auf, um die halsbrecherischen Koloraturen
spielend und mit großer Eleganz zu meistern. Glanzvoll gelingt ihr
insbesondere ihre Arie „Großmächtige Prinzessin“, die sie mit
umwerfenden Elan und sogar einen Tön höher singt als es sonst der Fall
ist. Solides Baritonmaterial bringt Gabriel Bermúdez für den Harlekin
mit und auch der sonor singende Truffaldin von Tobias Kehrer vermag gut
zu gefallen. Überhaupt nicht im Körper singen Michael Laurenz und Martin
Mitterrutzner den Scaramucco und den Brighella. Das gilt auch für Eva
Liebaus Najade und Schäferin. Da sind ihr Marie-Claude Chappuis und
Eleonora Buratto in den Doppelrollen von Dyrade/Schäfer und
Echo/Sängerin vokal überlegen. Phantastisch schneidet das
Ballettensemble ab, dessen gelungen Choreographie von Heinz Spoerli
stammt.
Eine treffliche Leistung erbringt Daniel Harding am
Pult, der die bestens disponierten Wiener Philharmoniker zu einem
differenzierten, vielschichtigen und der jeweiligen Situation
angemessenen Spiel zu animieren weiß, wobei er die Übergänge perfekt
meistert. Die lyrischen Ergüsse zelebriert der Dirigent in satten,
intensiven Klangfarben und die Musik der Komödiantengruppe breitet er
gut akzentuiert und mit viel Schmiss vor den Ohren des Zuhörers aus.
Zudem gelingt es ihm, gleich mehreren Instrumenten gleichsam eine
solistische Wirkung zu geben und die Bezüge zu Richard Wagner klar
herauszustellen.
|
|
|
|
|
|
|