
Was noch vor gut zwei Jahrzehnten eher Standard war, ist heute rar
geworden: die Gesamtaufnahme von Opern im Studio. Heute werden meistens
Live-Aufführungen aufgezeichnet und daraus eine Gesamtaufnahme
geschnitzt. Verständlich, dass eine Studio-Produktion von Giuseppe
Verdis "Aida" Aufsehen erregt. Zumal, wenn die Besetzung so
vielversprechend ist: mit Anja Harteros in der Titelpartie und Jonas
Kaufmann als Radames.
Glühende Musik
Aida
sehnt sich nach ihrer Heimat. Kriegswirren haben sie, die äthiopische
Prinzessin, zur Sklavin gemacht. Zusätzlich verliebt sie sich auch noch
in den Ägypter Radames, den Heerführer ihrer Feinde, und er sich in sie.
Giuseppe Verdi hat in dieser Oper seine jahrzehntelange Erfahrung nutzen
können, um das Aufeinanderprallen von persönlichen Gefühlen und
politischen Zwängen darzustellen: mittels einer Musik, die glüht. Ein
Werk wie geschaffen für zwei der herausragenden Verdi-Stimmen der
Gegenwart: Anja Harteros zeichnet Aida berührend in ihrer ganzen
Zerrissenheit, und Jonas Kaufmann verleiht Radames glaubhaft Gestalt -
ein aufrechter Kämpfer, der eben auch für seine große Liebe bereit ist
zu sterben. Herausragende Solisten und ein echter Opernmaestro
Sowohl Kaufmann als auch Harteros hatten zum Zeitpunkt der
"Aida"-Aufnahme ihre Partien noch nicht auf der Bühne gesungen; Kaufmann
hat erst vor Kurzem in München sein umjubeltes Bühnendebüt als Radames
gegeben. Doch der Tenor ist solch ein erfahrener Verdi-Sänger, dass ihm
schon im Studio ein zwingendes Porträt des leidenschaftlich liebenden
Mannes gelungen ist - eben allein mit seiner Gesangskunst. Er hat in
seiner Stimme das Virile, Auftrumpfende ebenso wie weiche, verschattete
Farben. Und so meistert Kaufmann besser als so mancher seiner
historischen Vorgänger in dieser Partie auch jene Details, die Verdi in
seiner ausgeklügelten Partitur notiert hat. Zum Beispiel das hohe B am
Ende von Radames' Romanze, notiert als zweifaches Pianissimo, langsam
verklingend.
Harteros gestaltet die Titelpartie ähnlich intensiv,
und man spürt, dass sie und Kaufmann schon häufig gemeinsam auf der
Bühne standen. Abgesehen von ein paar etwas grell geratenen
Spitzentönen, gestaltet die Sopranistin ihre Partie eindringlich und
facettenreich.
Alle Feinarbeit des insgesamt stimmigen
Gesangsensembles würde natürlich nicht wirken ohne einen echten
Opernmaestro am Pult, wie Antonio Pappano einer ist. Der versierte
Kenner gerade der italienischen Oper versteht es, die Energie von Verdis
zugespitzter Dramatik zu entfesseln. Aus den Details der Partitur
heraus, immer in Balance mit dem Gesang. Chor und Orchester der
Accademia Nazionale di Santa Cecilia sind ebenfalls in Topform. Große
italienische Oper - hier wird sie zum Ereignis.
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