
Diese «Aida» mit Anja Harteros und Jonas Kaufmann ist nicht nur die
erste reine Studio-Produktion eines Hauptwerks der Oper durch ein Major
Label seit Jahren – sie ist ein künstlerischer Wurf.
Man mag es
kaum glauben: Dies ist die erste Studio-Produktion eines Hauptwerks der
Operngeschichte durch ein Major Label seit Jahren – wobei die Betonung
auf dem Wort «Studio» liegt. Zwar entstand diese Einspielung von
Giuseppe Verdis «Aida» unter der Leitung von Sir Antonio Pappano (Warner
Classics 0825646106639, 3 CD) im Umfeld einer Aufführungsserie im Parco
della Musica in Rom. Doch die Produktion ist – anders als heute gerade
bei Opern üblich – kein Zusammenschnitt aus einzelnen Konzerten, sondern
ein eigens mit allen Mitteln des Mediums für die CD kreiertes
«Hör-Kunstwerk».
Man kann es nicht anders nennen. Schon akustisch
schaffen Pappano und die Tontechniker einen dynamisch ungewöhnlich weit
aufgespannten Rahmen für die Wiedergabe, einen Klang-Raum, wie man ihn
in dieser Tiefenstaffelung und intelligenten Anpassung an die
Forderungen des Stücks seit John Culshaws «Sonic Stage» für den
Solti-«Ring» selten gehört hat. Ein Zentralproblem der «Aida» löst sich
damit wie von selbst, nämlich der Gegensatz zwischen öffentlichen und
privaten Szenen, zwischen dem Staatsbombast der an der Grand Opéra
geschulten Massenszenen und der zum Dreieckskammerspiel verdichteten
Tragödie einer Liebe, die an ebenjener Staatsgewalt scheitert.
Dieser Gegensatz, eine Herausforderung für jede Bühnenproduktion, wie
jüngst in Berlin zu erleben, wird hier überzeugend eingefangen, indem
sich die «Hör-Bühne» bei Bedarf ins geradezu Breitwandig-Cineastische
öffnet, um sich hernach wieder wie eine akustische Lupe auf die
Protagonisten zu verengen. Überdies kostet Pappano die von Verdi
vorgeschriebenen Raumeffekte voll aus, nicht nur im eher zeremoniell als
plakativ vorüberziehenden Triumphmarsch, sondern vor allem in der
wirklich «unterirdisch» tönenden Gerichtsszene des vierten Aktes. Die
diesem Schau- oder besser: Hör-Prozess vorangehende Auseinandersetzung
zwischen Ekaterina Semenchuk als Pharaonentochter Amneris und Jonas
Kaufmann als Radamès ist auch musikalisch ein Höhepunkt der Aufnahme,
ein wahrhafter Showdown, und kündet von dem vokalen Feuer, das
namentlich in den Akten drei und vier immer höher lodert.
Semenchuk macht von Anfang an klar, dass die Rolle der Liebenden, die in
wachsender Verzweiflung einen Unerreichbaren begehrt, die
vielschichtigste Partie der Oper ist. Nie gibt sie dabei bloss die
eifersüchtig grantelnde Dritte im Bunde: In ihrem herrlichen, bis in
exponierte Lagen voll und sonor tönenden Mezzosopran spiegelt sich das
Drama einer tödlich verletzten Frau, die bis zuletzt um den Geliebten
kämpft. Allein ihr Fluch auf die Priester «A lui vivo la tomba!» lohnte
den Kauf dieser Aufnahme. Deren kommerzieller Erfolg baut allerdings
wohl mehr auf das aktuelle Traumpaar der Oper, Anja Harteros und Jonas
Kaufmann.
Beide debütieren in ihren Rollen – was man anfangs auch
hört. Kaufmanns «Celeste Aida» ist ein vokales Kunststück mit einem
raren Pianissimo-B am Schluss; seinen charakteristisch verdunkelten
Heldenton trifft er hingegen erst später, besonders eindringlich bei
«Nel fiero anelito» im ekstatisch gesteigerten Duett mit Aida. Harteros
gelingt zu Beginn bei «Ritorna vincitor» ein sängerisch ähnlich
kontrollierter Hochseilakt; ein lebendiges und sogar sehr berührendes
Charakterbild hört man dagegen erst in ihrer Nil-Arie «O patria mia».
Welch breite Farbpalette beiden zur Verfügung steht, zeigen sie im
visionär aufgehellten, auch vokal wie losgelösten Schlussduett,
besonders schön bei dem «raggio dell'eterno dì», der hier ins finstere
Pyramidengrab dringt.
Diese Vision wirkt auch deshalb so
entrückt, weil Pappano zuvor keinen Zweifel daran lässt, dass dieses
Ägypten ein Tal der Tränen und der Unfreiheit ist. Folgerichtig verleiht
er selbst den Jubelchören mit den zupackend und bemerkenswert präzise
agierenden Kräften der Accademia Nazionale di Santa Cecilia etwas vom
Ton und von der Klanggewalt der bald darauf komponierten «Messa da
Requiem» – ein starkes Statement.
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