
Neuaufnahmen bekannter Opern von Verdi gibt es immer wieder. Aber so wie
in der jetzt erschienenen Studioproduktion mit Jonas Kaufmann und Anja
Harteros hat man "Aida" tatsächlich selten gehört. Dazu leisten auch
Chor und Orchester unter der Leitung von Antonio Pappano ihren Beitrag.
1869 bat der ägyptische Vizekönig Ismail Pascha Verdi um ein
Bühnenwerk für die Neueröffnung des Opernhauses in Kairo; doch der
Komponist lehnte ab. Erst der französische Ägyptologe Auguste Mariette
brachte den Stein ins Rollen: sein Szenario weckte Verdis Neugier. Im
November 1870 hatte er die Oper vollendet. Stilistisch markiert sie den
Beginn von Verdis Spätwerk, denn nach ihr sollten abgesehen von einigen
Bearbeitungen älterer Bühnenwerke nur noch der "Othello" und der
"Falstaff" folgen. Am 24. Dezember 1871 ging "Aida" im Opernhaus von
Kairo in Szene und wurde vom Publikum begeistert aufgenommen. Ihren
eigentlichen Siegeszug trat die Oper wenige Monate später nach ihrer
Premiere an der Mailänder Scala an.
Bemerkenswerte
Neuaufnahme
Sie sei "die" "Aida" des neuen Jahrtausends,
kündigte Warner Classics diese Opernaufnahme an; bemerkenswert ist sie
in vielerlei Hinsicht. Studioproduktionen von Opern, früher normales
Tagesgeschäft, sind heute aus Kostengründen selten geworden; in der
Regel werden zumeist Mitschnitte von konzertanten oder
Bühnenaufführungen veröffentlicht. Im Falle der Neuaufnahme von Giuseppe
Verdis "Aida", die vor Kurzem beim Label Warner Classics auf den Markt
kam, hätte man beide Optionen gehabt: Denn nach der Produktion mit Anja
Harteros, Jonas Kaufmann sowie Chor und Orchester der Accademia
nazionale di Santa Cecilia Rom unter Antonio Pappano im institutseigenen
Großen Saal im Februar 2015 folgte dort eine fulminante konzertante
Aufführung.
Großes Staraufgebot
Neben
Anja Harteros in der Titelpartie und Jonas Kaufmann als Radames ist auch
der Rest der Solistenbesetzung mit Ekaterina Semenchuk als Amneris,
Ludovic Tézier als Amonasro und Erwin Schrott als Ramfis starverdächtig.
Vor allem Kaufmann, der in diesem Jahr bereits ein Album mit Tenor-Arien
aus Puccini-Opern vorgelegt hat, zeigt sich hier als sehr
beeindruckender Radames, der überaus nuanciert und akzentuiert seine
Rolle angeht; darüber hinaus präsentiert er präzise Spitzentöne mal
kraftvoll und mal innig zart, etwa in der berühmten Arie "Celeste Aida"
im ersten Akt. Gleiches gilt für die Sopranistin Anja Harteros, die ihre
Aida selbstbewusst und mit großer berührender Dramatik gestaltet.
Entschlackter Klang
Vor allem Pappano
gebührt großes Lob: Denn dem Dirigenten gelingt eindrucksvoll eine
Befreiung des Werkes von allem blechernen Breitwandschinken-Pathos.
Unter seiner Leitung agieren Chor und Orchester der Accademia nazionale
di Santa Cecilia Rom überaus differenziert und nuanciert und erstellen
damit ein beinahe grazil-elegantes Klanggemälde, das bei aller Brillanz
ganz ohne ölig dicke Farben auskommt. In dieser Hinsicht dürfte man
Verdis "Aida" so tatsächlich selten gehört haben. Kein Zweifel: diese
Einspielung ist überaus gelungen. Die Solisten, allen voran Anja
Harteros und Jonas Kaufmann, überzeugen ebenso wie Chor und Orchester.
Antonio Pappano, einer der derzeit besten Operndirigenten, tut das Seine
dazu. Ob diese Aufnahme tatsächlich "die" "Aida" für das neue
Jahrtausend ist, bleibe einmal dahingestellt; das hat ja so gesehen
gerade erst angefangen. Aber toll ist sie auf jeden Fall.
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