Klassik.com, 01.09.2012
Miquel Cabruja
 
Poetisches Gesamtkunstwerk
Endlich ist Francesco Cileas Oper 'Adriana Lecouvreur' in einer szenisch wie musikalisch überzeugenden Produktion erhältlich. Auf diese DVD hat man lange gewartet.

Nach der Erstaufführung von 1906 wurde Francesco Cileas 'Adriana Lecouvreur' über einhundert Jahre lang nicht mehr am Royal Opera House gegeben. Erst 2010 entschied man sich in London für eine hochkarätig besetzte Neuinszenierung der nostalgischen Oper. Mit unfehlbarem Blick für Details und virtuoser Personenregie inszeniert David McVicar das Drama um Leben und Sterben der französischen Tragödin als Reflexion über das Verhältnis von Wahrheit und Fiktion, Schauspiel und Wirklichkeit.

Gefährliche Abhängigkeit

In einem langsam seinem Verfall entgegengehenden Barocktheater (Bühne: Charles Edwards) mit all seinen Kulissen, Zügen und Prospekten stellt der Regisseur Menschen aus Fleisch und Blut mit ihren Leidenschaften und Widersprüchen ins Rampenlicht. Adriana zeigt er als eine Frau, die sich in gefährliche Abhängigkeit zu einem Mann begibt und Schwierigkeiten hat, zwischen Schauspiel und Realität zu unterscheiden. Aus ihrer Rolle macht die attraktive Angela Gheorghiu ein poetisches Gesamtkunstwerk, das sich deutlich von den Interpretationen großer Vorbilder aus dem Spinto-Fach wie Tebaldi, Olivero oder Scotto unterscheidet. Mit silbernen Piano-Effekten, schimmernden Nuancen und delikaten Gesangslinien zeichnet sie ein genau berechnetes, ausgesprochen individuelles Portrait der Adriana, das den Blick vor allem auf die Verletzlichkeit der Figur lenkt.

Samtige Piano-Effekte

Als überzeugender Schauspieler verkörpert Jonas Kaufmann einen attraktiven, virilen Maurizio, der so verwegen wirkt, als käme er geradewegs aus einer Schlacht geritten. Kaufmann zeigt den Grafen von Sachsen als Opportunisten, der zwischen seinen politischen und erotischen Interessen schwankt und ein riskantes Doppelspiel mit Adriana und der Princesse de Bouillon spielt. Als Sänger überzeugt er nicht nur mit virtuos eingesetztem Messa di voce, samtigen Piano-Effekten und dunkel schimmerndem Timbre, sondern gibt den jungendlichen Liebhaber auch mit betörender Italianità und der geforderten Dramatik.


Beeindruckende Durchschlagskraft

Die russische Mezzosopranistin Olga Borodina zeigt die Princesse de Bouillon als skrupellose Rivalin der Adriana, die ihre Interessen mit allen Mitteln durchzusetzen versucht. Vokal überzeugt sie trotz Schärfen in der Höhe durch ihr volltönendes Stimmfundament und imponierende Durchschlagskraft. Mit Sängern wie Alessandro Corbelli (Michonnet) und Bonaventura Bottone (Abbé) sind auch die Comprimarii hervorragend besetzt. Mark Elder dirigiert mit großem Sinn für die Schönheiten der Partitur, ihre delikaten Farben und Zwischenwerte. Endlich ist 'Adriana Lecouvreur' in einer szenisch wie musikalisch überzeugenden Produktion erhältlich. Auf diese DVD hat man lange gewartet.







 
 
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