Stereoplay 09 / 05
Attila Csampai
 
Oberon or The Elf King’s Oath
Klassik CD des Monats
Von Webers letzter Opernarbeit "Oberon" kennen die meisten 
nur die Ouvertüre — die freilich in ­gedrängter Form die schönsten Einfälle dieser für London komponierten Märchenoper ausstreut. Auch diesmal waren es die Mängel des wirren Librettos (das James Planché nach Christoph Martin Wielands Version des "Oberon"-Stoffes als Dialog-lastige "Semi-Opera" für den britischen ­Ge­schmack zusammengezimmert hat­te), die Webers Vorstellungen von einem großen romantischen Musikdrama von vornherein durchkreuzt hatten und so trotz der umjubelten Premiere den dauerhaften Erfolg des "Oberon" bis heute auf beiden Seiten des Kanals unterminierten.

Gleichwohl bekennt sich John Eliot Gardiner im Booklet zu den großen Bewunderern von Webers "zauberhafter ­Partitur" und weist ihr eine Schlüsselstellung zu in der Entwicklung der romantischen Oper. Seine musikalische Herzensbeziehung prägt jetzt auch deutlich diese erste englischsprachige Schallplattenver­sion der Oper, die die weitschweifigen und streckenweise manierierten Origi­naldialoge Planchés durch ­einen den Text stark verknappenden "Märchenerzähler" ersetzt und so die unglaublich phantasievolle und vorausweisende Musik Webers in den Mittelpunkt rückt — als genialischen Katalog der ­romantischen Orchesterbehandlung.

Aber auch bei der Auswahl der Protagonisten hatte Gardiner bei dieser halbkonzertanten Aufführung im Pariser Théatre du Chatelet ein gutes Händchen: ­Jonas Kaufmann gestaltet den "reinen" fränkischen Ritter Hüon mit jugendlichem Heldenglanz und ­besetzt überzeugend die Lücke zwischen Florestan und Siegfried, *** während Hillevi Martinpelto in der jugendlich-dramatischen Sopranpartie der Reiza deren musikalisch-psychologische Wurzeln intelligent durchschimmern läßt.

Auch das Dienerpaar ist mit Marina Comparato (Fatima) und William ­Daze­ley (Sherasmin) glänzend besetzt, und last not least unterstreichen auch der kompakte Monteverdi-Choir und das hochmotivierte, ­farbenprächige Ochestre Révolutionaire Romantique ihre stilistische Flexibilität und Wandlungsfähigkeit in der suggestiven Umsetzung der hier vom Komponisten genialisch miteinander verknüpften musikalischen Sphären des Orients, der altfränkischen Ritterwelt und von Oberons Elfenreich: Derart liebevoll restauriert, könnte der "Oberon" tatsächlich wieder eine Zukunftschance haben.
*** Es handelt sich hier um eine Studioaufnahme, die in London aufgenommen wurde. Die Studioaufnahme basiert auf Livekonzerten. Bei dem Konzert in Paris, Châtelet (10. März 2002) und London, Barbican (21. März 2002) wurde der Hüon von Charles Workman, der für die Studioaufnahme nicht zur Verfügung stand, gesungen.






 
 
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