Da kann man einfach nur noch hinschmelzen, wenn der weltschönste Tenor einen anschmachtet: „Du bist die Welt für mich.“
Jonas Kaufmann war gestern Abend im Kuppelsaal und begeisterte gut 3000 Fans mit seinem aktuellen Operettenprogramm.
Stimmlich beginnt der Abend mit dem Tenorissimo-Brenner „Freunde,
das Leben ist lebenswert“. Und das sicherlich auch deswegen, weil
man diese legendäre Léhar-Arie so geboten bekommt. Und wie Kaufmann
dann nach dem ersten Jubel hier und da ins Publikum lächelt.
Scharmant, scharmant, würde der Wiener sagen.
Und nach Wien
gehts dann auch gleich mit „Grüß mir mein Wien“ aus der Operette
„Gräfin Mariza“ vom unverdrossen unvergänglichen Emmerich Kálmán.
Das ist schon gut, wie immer wieder kontrollierte Schluchzer
eingebaut werden. Üppig wie die Stimme wird auch das wunderbar groß
besetzte Münchner Rundfunkorchester (Leitung: Jochen Rieder)
eingesetzt – für den bombastischen Dreivierteltakt im
„Ballsirenen-Walzer“ aus der „Lustigen Witwe“.
Sagt da etwa
jemand etwas von Operettenschwachsinn? Nein, der kann hier überhaupt
nicht entstehen, wenn mit dieser Stimme gesungen wird: „Schatz, ich
bitt dich, hab ein blaues Himmelbett.“ Das kribbelt, wenn Kaufmanns
Stimme in der Tiefe die typische baritonale Färbung annimmt.
Der Wagner- und Verdi-Tenor mit den Riesenpartien singt Operette:
Das ist schon machbar, wie Kaufmann die enormen Fähigkeiten seiner
Stimme, die kraftvolle Höhe einsetzt, um diesen häufig belächelten
Preziosen einen für viele erstaunlich zeitgemäßen und genussreichen
Reiz zu geben – jenseits allem
Peter-Alexander-Anneliese-Rothenberger-Schmonzes.
Die leichte
Muse ist die schwerste, wenn sie funktionieren soll. Und deshalb
widmet sich Kaufmann auch den Filmmelodien mit der Kraft und der
Herrlichkeit einer Puccini-Arie, wenn es da heißt: „Ein Lied geht um
die Welt“.
Aber er weiß natürlich genau, dass es hier eben nicht
um Wagner geht, den großen Tenorschub kann Kaufmann auch angemessen
zurückfahren, kann seine Stimme ins Parlando fallen lassen – mehr
oder weniger geschickt gestützt von einem Mikro. Und bei der
Präsentation könnte er ein bisschen von Max Raabe lernen.
Und
dann träumen die Zuhörerinnen, wenn mit Robert Stolz verraten wird:
„Im Traum hast du mir alles erlaubt.“
Erlaubt ist an diesem
Abend auch so reichlich Samt auf den Stimmbändern, wie es in der
Oper eigentlich nicht sein darf – aber hier gehts ja um Operette:
„Gern hab ich die Frau’n geküßt.“ Hach, es kann ja nur noch schöner
werden. Letztes Stück im offiziellen Teil: „Dein ist mein ganzes
Herz“.
Bei den Zugaben jubeln die Fans, wenn Jonas Kaufmann
den Kellner aus dem „Weißen Rössl“ gibt: „Es muss was Wunderbares
sein“. Dann dirigiert er auch noch einen Klatschmarsch. Und für den
Schluss hat passend Robert Stolz geschrieben: „Das Lied ist aus“.
Schade. Aber mit der Operette ist es wie mit allem, irgendwann ist
Schluss.