KKL: Der Startenor für einmal ganz unbeschwert: Jonas
Kaufmann warb erotisch und verschmitzt, aber nie schwülstig, für die
Operette.
«Wir gehen auseinander, morgen singt hier
ein andrer » Mit dieser textlich leicht veränderten Liedzeile aus
«Frag nicht, warum» von Robert Stolz verabschiedete sich Jonas
Kaufmann am Samstagabend augenzwinkernd vom stehend applaudierenden
Publikum im ausverkauften Konzertsaal des KKL. Der Operettenhit aus
dem Tonfilm «Das Lied ist aus» (1930) ist einer der popularen
Schlager von damals, mit denen der weltweit gefeierte Tenor für das
oft unterschätzte Genre eine Lanze bricht.
Mikrofon-Intimität
Anders als bei der im Herbst erschienenen CD «Du bist die Welt für
mich» unterstützte ihn beim einzigen Tourneehalt in der Schweiz
nicht das Rundfunksinfonieorchester Berlin, sondern dasMünchner
Rundfunkorchester, das unter dem differenzierten Dirigat von Jochen
Rieder überzeugte.
Mit Ausnahme der wienerischen «Gräfin
Mariza» lag der Schwerpunkt der Auswahl auf der Berliner Operette
der 20er- und 30er-Jahre. In jener Zeit wurden das Radio und erste
Tonfilme populär. Und Operettenstars wie die Sänger Richard Tauber
und Joseph Schmidt oder die Komponisten Emmerich Kalman, Paul
Abraham und Leon Jessel feierten grosse Erfolge, bis sie von den
Nazis wegen ihrer jüdischen Abstammung als Vertreter «entarteter
Musik» verfolgt wurden.
Er wolle in einigen Liedern eine
«Clubatmosphäre» schaffen, erklärte Kaufmann vor Konzertbeginn die
Anwesenheit des Mikrofons auf der Bühne. Bei Stücken wie «Gern hab'
ich die Frau'n geküsst» aus Lehárs Operette «Paganini» sorgte dessen
Einsatz für eine intimere Separee-Atmosphäre, zu der das grosse,
aber nuancenreich aufspielende Orchester ebenso viel beitrug.
Comeback der Operette
Wer Jonas Kaufmann in grossen
Opernrollen hat singen hören und sterben sehen, konnte sich
entspannt zurücklehnen und die «Unbeschwertheit und positive
Energie» geniessen, wie es eine Konzertbesucherin formulierte. Denn
der «Held» musste sich keinen Intrigen und Mordkomplotten á la
Verdi, Wagner oder Puccini aussetzen Stimmlich allerdings birgt das
nur scheinbar einfache Operettengenre durchaus Gefahren. Die grösste
dabei ist wohl jene, diesen Liedern mit marzipansusser Klebrigkeit
und schluchzendem Pathos zu begegnen. Doch Kaufmann weiss seine
Stimme in jedem Moment so einzusetzen, dass sie immer charmant,
erotisch und verschmitzt herüberkommt - aber nie schwülstig. So
konnte man sich über die genussvoll ausgeführten Rubato-Stellen, die
perfekte Artikulation oder die immer wieder hauchzart in die Höhe
geführten Töne freuen und durfte sogar einer «Weltpremiere»
beiwohnen, als Kaufmann flugs das Dirigat eines Marsches von Stolz
übernahm. Mit weiteren Überraschungen darf man rechnen. In nicht
allzu ferner Zukunft, so Kaufmann kürzlich in einem Interview, wolle
er wieder die «Fledermaus» singen. Die Operette feiert
offensichtlich ein Comeback.