Gemäß kapitalistischer Logik erhöht minimierter Aufwand bei
maximierter Produktzahl den Gewinn. Insofern folgen die neue CD und
die dazugehörige Tour (meist im Zweitagesrhythmus) von Tenor Jonas
Kaufmann kommerziellen Prinzipien. Dazu passt es, dass das
Repertoire der "Silbernen" Operettenzeit im Werbetext gleich etwas
skurril als "Melodien einer goldenen (!) Ära" verkauft wird.
Und dazu passt, dass der Sänger erstmals - in sieben von neun
Nummern des offiziellen Programms und in allen Zugaben - Verstärkung
durch das Mikrofon in Anspruch nahm (was er in einer
Verlegenheitsansprache mit irreführendem Charme und fadenscheinigen
Argumenten zu entschuldigen versuchte).
In Wahrheit war dafür
wohl ausschlaggebend, dass er seine Kräfte schonte - und dass er
sich nicht nur mit einem tragfähigen Piano schwertut, sondern auch
ansonsten stellenweise nur mit Anstrengung über das Orchester
gekommen wäre. Das lag nicht nur daran, dass Dirigent Jochen Rieder
seine Aufgabe eher mechanisch versah, weniger als Begleiter denn als
Organisator von Brachialeffekten. Die setzte das
draufgängerisch-inhomogene Münchner Rundfunkorchester mit viel
Aplomb, aber wenig Gespür für die Feinheiten und nötigen Freiheiten
bei Franz Lehár oder Emmerich Kálmán um.
Kaufmann selbst
hätte wesentlich mehr von diesen Feinheiten, und hauchte wohl viele
Nuancen ins Mikro. Allerdings kamen sie reich-lich verwaschen aus
den Lautsprechern. Die Schönheiten seiner baritonalen Stimme ließen
sich da nur erahnen - und sein Input zuweilen nur erraten. Sei's
drum: Denn wirklich wichtig ist die Nachricht, dass Kaufmann am Ende
des Abends eine Goldene Schallplatte seines Labels überreicht bekam
und er auch noch höchstpersönlich die Gewinner eines
Preisausschreibens des Sponsors bekanntgab.
Wie der Sänger
allerdings die letzte Zugabe Frag nicht, warum ich gehe aus der
Robert-Stolz-Operette Zwei Herzen Im Dreivierteltakt umtextete und
das Publikum mit einem großen Duzen umarmte, war tatsächlich
virtuos. Der CD- und Tourneetitel Du bist die Welt für mich bekam
dadurch ebenfalls eine neue Bedeutung. (Daniel Ender, 15.5.2015)