Die Presse, 15.5.2015
Walter Weidringer
 
Operette, Tournee ab 15. April 2015
 
Nein, es ist nicht egal, was Jonas Kaufmann singt
 
Der Tenor-Tausendsassa reüssierte im Konzerthaus mit Schlagern aus Operette und Film.
 
In Robert Altmans Film „Gosford Park“ (2001) gibt bei einer englischen Landhausgesellschaft der Dreißigerjahre der Filmstar Ivor Novello nach dem Dinner einige aktuelle Songs zum Besten. Während die noblen Gäste das eher als Kuriosität über sich ergehen lassen, lauscht die Dienerschaft auf der Hintertreppe beschwingt, mit glasigen Augen...

Szenenwechsel ins Wiener Konzerthaus. „Ach, bei ihm ist ja eigentlich egal, was er singt!“, schwärmte dort zur Pause eine Dame im Kreise ihrer nicht minder enthusiastischen Freundinnen. Ein bisschen klang es so, als wolle sie sich anstelle des Stars für ein solches „Hintertreppenprogramm“ rechtfertigen. Warum? Muss man mittlerweile Opernfreunde zur sogenannten leichten, zugleich jedoch ungemein schweren Muse hin(ver)führen? Tenor-Tausendsassa Jonas Kaufmann kann es sich jedenfalls leisten, seine aktuelle CD „Du bist die Welt für mich“ auf Tournee mit dem Münchner Rundfunkorchester unter Jochen Rieder zu promoten und einen ganzen Abend mit Musik zu bestreiten, die sonst gewöhnlich nur durch den Dienstboteneingang, sprich: als Draufgabe, Zugang zu einem Lieder- und Arienabend erhält. Das ist nicht despektierlich gemeint, im Gegenteil: Die stilistische Weite ist doch enorm, etwa zwischen Lehars Octavio, der das Leben als lebenswert preist („Giuditta“ wurde 1934 mit Richard Tauber in der Wiener Staatsoper uraufgeführt) und einem Operntenor, der in Gestalt von Jan Kiepura in der Filmschmonzette „Das Lied einer Nacht“ (1932) die Geliebte mit Mischa Spolianskys wunderbarer Nummer „Heute Nacht oder nie“ anschmachtet.

Nicht immer leicht: der „leichte“ Ton

Kaufmann nimmt diese Herausforderung dankbar an. Er wirkt dabei aber im Konzert doch stets dort am stärksten und unmittelbarsten, wo er inbrünstig seine volle Opernstimme einsetzt, mit aus dem Piano aufblühenden hohen Schlusstönen prunkt, wohldosierte Schluchzer und elegante Verzierungen einbaut: ehrliches Pathos im Dienste der Operette. Weniger glamourös klingt es, wenn er live in den schlankeren, jazzig inspirierten Nummern seinen Flirt mit dem Studiomikrofon wiederholen will: Über die Verstärkeranlage büßt sein immer wieder ins Pianissimo zurückgenommener Stimmklang empfindlich an Farbe und Glanz ein – und das locker gemeinte Mitswingen wirkt nicht durchwegs echt. Doch der verschmitzte Charme in Kaufmanns Vortrag bleibt, manchmal gekonnt wienerisch gefärbt, in den Zugaben auch als „Rössl“-Kellner Leopold. Standing Ovations, Blumensträuße, eine Goldene Schallplatte und zuletzt selbstironisch umgetexteter Robert Stolz: Ist ja doch egal, was er singt.






 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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