Wiener Zeitung, 30.03.2015
 
 
Mascagni: Cavalleria rusticana, Leoncavallo: Pagliacci, Salzburg, 28. März 2015
 
Das pralle Leben aus dem Comic-Heft
(irr) Christian Thielemann schätzt als Durstlöscher Gerstensaft, heißt es. Immer, wenn der Stardirigent in Bayreuth Dienstschluss habe, lasse er sich noch im Orchestergraben ein Weißbier kredenzen. Der Meister der deutschen Töne also auch als Freund deutscher Tränke: Das glaubt man gern. Überprüfen lässt es sich freilich nicht. Ein "Schalldeckel" schützt das Orchester der Wagner-Festspiele vor zudringlichen Blicken.

Nun gibt es eine solche Barriere im Großen Salzburger Festspielhaus nicht, und man hat Thielemann dort am Samstag auch erwartungsgemäß nicht mit einem Bier gesehen. Hätte er sich da an einem Hopfensaft erlabt, wäre das allerdings auch stilistisch ziemlich unpassend gewesen. Thielemann, seit 2013 künstlerischer Leiter der Osterfestspiele, hat sich heuer auf ungewohntes Gebiet gewagt - nämlich ins Verismo-Fach. Mit "Cavalleria rusticana" und "Pagliacci", den beiden Opernhits von Pietro Mascagni beziehungsweise Ruggero Leoncavallo, nahm sich der Berliner nun also sinnliche, süffige Italianità zur Kapellmeisterbrust.

Und? So langweilig es ist, Klischees zu bestätigen: Thielemann scheint mit dieser Musik noch nicht ganz warm zu werden. Seine Gestaltungsmittel - vor allem Rückungen und Zäsuren, mit denen er deutschromantische Klangmassen unerhört dynamisiert - wollen bei Mascagni nicht recht greifen: statt strömendem Klangfluss immer wieder ein Ruckeln mit hartkantigen Akzenten. Sinnlichkeit, die sich ausgießt, dann erst beim "Pagliacci" - einer Oper, die dem Maestro dank ihres Sturm-und-Drang-Gestus überhaupt eher zupasskommt. Auch an satten Farbeffekten kann die Sächsische Staatskapelle Dresden da einiges abrahmen.

Jonas Kaufmann dagegen agiert in beiden Opern phänomenal. Als Turiddu, der seine Partnerin betrügt, ebenso wie als betrogener Clown Canio reüssiert er mit einem kehligen, der Melodielinie nicht minder als der Inbrunst Rechnung tragenden Tenor. Eine Glanzleistung, hinter der die schauspielerische Leistung nicht zurücksteht: Wenn sich Canio zuletzt einen absurden Riesengrinser ins Gesicht malt, wirkt der Traumablick dazu umso bestürzender.

Sichtbar wird dies, weil die Regie mit ähnlichen Tricks wie im Römersteinbruch St. Margarethen arbeitet: Philipp Stölzl lässt die Großaufnahmen einer Kamera auf ein Stück Bühnenwand projizieren. Nur ein Kniff aus der Trickkiste: Stölzl hat die Kingsize-Bühne auf zwei Etagen gesechstelt und lässt die Parzellen oft parallel bespielen. Mitunter wirkt das, als würden die Kästchen eines Comic-Hefts zum Leben erweckt.

Bleibt die "Cavalleria", inszeniert als düsteres Mafiadrama, schwarzweiß, schillert die Zirkuswelt des Bajazzo später auf altmodische Art mattbunt. Zwar stimmt es: Die Perspektiven, die Stölzl als Handlungsdeuter entwickelt, mögen nicht sonderlich überraschen. Die Blickwinkel, die seine Bühnenbilder eröffnen, aber sind stupend. Ein guter Abend ist es letztlich auch, weil das Gros der Sänger überzeugt: Rauschender Jubel auch für Liudmyla Monastyrska (Santuzza), Ambrogio Maestri (Alfio) und Alessio Arduini (Silvio), in erster Linie aber natürlich für das Weltstar-Gespann Kauf- und Thielemann.


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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