Opernglas, November 2010
U. Ehrensberger
Ciléa: Adriana Lecouvreur, Berlin, Deutsche Oper, 2. Oktober 2010
Adriana Lecouvreur
 

Auf halbem Weg nach London, wo am 18. November eine szenische Neuproduktion von Cileas »Adriana Lecouvreur« ansteht, legten Angela Gheorghiu und Jonas Kaufmann mit eben dieser vergleichsweise selten gespielten Oper eine Zwischenstation an der Bismarckstraße ein, zur großen Begeisterung all derjenigen Glücklichen, denen es gelungen war, sich für eine der beiden konzertanten Aufführungen rechtzeitig Karten zu sichern. Nicht allein, dass mit den beiden Sängerstars ein oft vermisster Glamour einzog, es waren noch viel mehr die phänomenalen gesanglichen Leistungen, die den Abend in den Rang des Außergewöhnlichen erhoben und das Publikum zu Jubelstürmen hinrissen.

Angela Gheorghiu ist, um es vorwegzunehmen, eine Idealbesetzung der Adriana Lecouvreur. Die Partie der kapriziösen Schauspielerin, die an einem vergifteten Veilchenstrauß-oder vielleicht doch eher an gebrochenem Herzen - stirbt, sitzt der rumänischen Starsopranistin im derzeitigen Stadium ihrer Karriere stimmlich wie angegossen. Von der ersten Note ihres „Io son l'umile ancella" an bestachen Phrasierungs- und Legatokunst, Ausdrucksintensität, die effektvoll platzierten Crescendi und Acuti und nicht zuletzt das immer noch berückend schöne Timbre. Die gekonnt zelebrierte Attitüde der Operndiva verschmolz Angela Gheorghiu dabei geschickt mit dem Bühnencharakter der (auch) in ihrem wirklichen Leben von der Pariser Gesellschaft angebeteten Tragödin. Und noch nie dürfte jemand im Rahmen einer konzertanten Aufführung so dramatisch und ergreifend den Bühnentod erlitten haben wie Angela Gheorghiu alias Adriana Lecouvreur an diesem Abend. Szene und Kostüme hat deshalb wohl niemand im Zuschauerraum ernsthaft vermisst, zumal auch Jonas Kaufmann sich darauf einließ, die Handlung mit seiner Bühnenpartnerin leicht anzuspielen. Nicht nur in seinem lyrisch-schlicht dargebotenen „Lanima ho stanca" nahm man ihm mühelos ab, wie strapaziös es sein kann, zwischen die Fronten von zwei um seine Gunst rivalisierenden Frauen zu geraten. Dank seiner natürlichen Ausstrahlung gelang es Kaufmann überdies, mehr Sympathiepunkte als gewöhnlich für den wankelmütigen Moritz von Sachsen zu sammeln. Zeigte sich die Stimme des Strahletenors am Anfang noch etwas belegt, sang er sich zusehends frei. Und einmal mehr erregte Bewunderung, wie Kaufmann die Strahlkraft des Wagnertenors mit einer dezenten Verismo-Träne in der Stimme und der Sensibilität des Liedsängers vereint. Wenn er zusammen mit Gheorghiu Pianissimo-Phrasen spann, schlug das Herz jedes Opernliebhabers höher.

In punkto optischer Attraktivität stand die Russin Anna Smirnova zwar neben dem Protagonistenpaar auf verlorenem Posten, nicht aber, was die stimmlichen Mittel betraf. Eine gewaltige, vielleicht etwas zu vibratoreiche Mezzosopranstimme füllte mühelos den Saal und ließ darüber hinaus etwas von der Einsamkeit und Verzweiflung hinter der Bosheit der Fürstin von Bouillon ahnen. Optimal ergänzt wurde dieses Sängertrio durch Ensemblemitglied Markus Brück, der dem unglücklich in Adriana verliebten Michonnet den beachtlichen Wohlklang seiner Baritonstimme und berührend-menschliche Züge verlieh.

Noch vor Beginn der Vorstellung hatten Musiker des Orchesters der Deutschen Oper Handzettel verteilt, auf denen um Verständnis für bevorstehende Arbeitskampfmaßnahmen geworben wurde. Von solchen blieb diese Aufführung glücklicherweise verschont und Maestro Marco Armiliato durfte sich ohne irgendwelche Hindernisse der Mitwirkung dieses großartigen Opernorchesters versichern. Dass es ihm nicht immer gelang, die Orchesterlautstärke sängerfreundlich zu reduzieren und die Positionierung der Sänger vor dem Dirigenten offenbar auch manchen Reibungsverlust zur Folge hatte, war ihm nachzusehen angesichts einer insgesamt höchst mitreißenden, stimmigen und nie zu sentimental geratenen Interpretation. Von dem bestens gelaunten Publikum wurde er in die Ovationen am Ende der Vorstellung großzügig mit einbezogen.

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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