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Online Merker, 31.12.2023 |
Ursula Wiegand |
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Wagnerkonzert, Berlin Philharmonie, 29.12, 30.12. und 31.12.2023
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BERLIN/ Philharmonie: Silvesterkonzert mit Wagner, Vida Miknevičiūtė und Jonas Kaufmann
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Es ist das 2. Silvesterkonzert 2023, und wieder ist die Philharmonie
komplett ausverkauft und sie ist es auch heute bei der letzten Aufführung um
17:30 Uhr. Das ereignet sich zwar stets bei diesen Silvesterkonzerten, aber
der angekündigte Wagnerabend war vermutlich eine besondere und auch gut
kalkulierte Verlockung.
Doch nicht eine ganze Oper wird geboten, das
wäre zuviel vor dem Jahreswechsel. Stattdessen sind es zwei Highlights der
Sonderklasse und eine luxuriöse Besetzung. Kirill Petrenko, der Dirigent,
und die Berliner Philharmoniker machen keine halben Sachen, und auch ihre
sonstigen Konzerte sind stets ausverkauft.
Kirill Petrenko als
Wagner-Dirigent – das ist dem Berliner Publikum und seinen Gästen aus aller
Welt vielleicht recht neu. Nicht alle wissen, dass er in den sieben Jahren
als Generalmusikdirektor an der Bayerischen Staatsoper auch von 2013 bis
2015 Wagners „Ring des Nibelungen“ in Bayreuth dirigierte. In Berlin liegt
ihm anderes am Herzen, u.a. sind es die einst verfemten und dann vergessenen
Komponisten.
Das nun folgende Programm beginnt mit „Tannhäuser und
dem Sängerkrieg auf der Wartburg“. Ein Wettsingen zum Silvester findet
zumindest bei diesem Werk nicht statt, fiel die Wahl doch auf die von Wagner
später angefertigte konzertante Version.
Dennoch fühlen sich schon
bei den ersten Takten des Andante maestoso sicherlich viele fast wie im
Himmel. Das lässt gleich aufhorchen, und auch die folgenden vier Sätze
klingen etwas anders als in Berlin gewohnt, weder streng musiziert noch –
wie neuerdings wieder – schwelgerisch zerdehnt.
Nach dieser
gelungenen Eröffnung ist nun eine halbe Stunde lang ein lebendiger, oft auch
temperamentvoller Wagner zu hören. Letzteres vor allem beim Bacchanal, den
wilden Sex- und Liebesszenen auf dem Venusberg.
Als zweiter großer
„Hit“ fasziniert der erste Aufzug aus „Die Walküre“. Die ist für Wagner-Fans
ohnehin die bevorzugte Ring-Oper, und gerade dieser erste Teil, wenn sich
Sieglinde und Siegmund wiederfinden und sich wieder vereinigen, ist kaum zu
toppen.
Das gilt auch für die fabelhafte Besetzung mit Vida
Miknevičiūtė als Sieglinde, Jonas Kaufmann als Siegmund und nun Tobias
Kehrer als Hunding, der gestern und heute anstelle des plötzlich erkrankten
Georg Zeppenfeld diese Bassrolle bestens ausfüllt.
Als Stern am
Sopranhimmel leuchtet sogleich die gebürtige Litauerin Vida Miknevičiūtė,
eine schöne, viel gefragte, junge und schlanke Sängerin, die sogleich anhand
ihrer kräftigen und best geführten Stimme beweist, dass keine Körperfülle
nötig ist, um großartig Wagner zu singen. Emotionaler Furor wird ihr
bescheinigt, und den beweist sie tatsächlich. Petrenko und die Berliner
Philharmoniker wissen genau, wen sie einladen.
Große Freude bereitet
auch Jonas Kaufmann. Sein Tenor ist nach einer Therapie wieder kraftvoll und
strahlend. Wie oft musste der weltbekannte und doch so uneitle Star zuletzt
seine Auftritte verkürzen oder ganz absagen. Jetzt ist – anders als beim
Berliner Silvesterkonzert 2022 – kein Hüsteln mehr zu hören. Stattdessen
sind es wieder perfekte Höhen und die ihm eigene bronzene
Bariton-Grundierung. Auch Tobias Kehrer, ein großer schlanker Mann,
imponiert, wie schon erwähnt, mit seinem kräftigen und klangvollen Bass.
All drei singen ohne Notenblatt, was manchmal noch zu erdulden ist. Und
sie versuchen auch, das Geschehen in diesem konzertanten ersten Aufzug so
gut wie möglich zu spielen. Vida Miknevičiūtė als die in einer üblen Ehe
gefangene Sieglinde, schafft das am besten.
Der von Verfolgern
gehetzte Flüchtling (Jonas Kaufmann), der Schutz in ihrem Haus sucht,
gefällt ihr sofort. Mit ihren blauen Augen strahlt sie ihn an, berührt ihn
bald mit den Händen. Kaufmann ist diesbezüglich vorsichtiger und muss es
heutzutage auch sein.
Er macht es mit der Mimik, auch beim „Verhör“
durch den sofort argwöhnischen Hunding, der seinen Namen wissen will.
Verlegen nestelt er auch an seinem Frack. Nur Hundings Worte: „Wie gleicht
er dem Weibe“, passen nicht so ganz und auch nicht der feierliche Frack.
Doch großartig passen seine kraftvollen Nothung-Rufe, die Hunding,
eingeschläfert von Sieglinde, gar nicht hört. Bei „Winterstürme wichen
dem Wonnemond“ muss das Publikum ebenfalls seine Fantasie bemühen, sich den
bewusst verübten Inzest der Geschwister selbst vorstellen oder sich in
diesem Musikrausch den Frühling herbeiwünschen. Das brasilianische Ehepaar
neben mir hält sich liebevoll an den Händen.
Zuletzt wagen Jonas
Kaufmann und Vida Miknevičiūtė doch noch eine Umarmung, und das zu Recht
begeisterte Publikum bejubelt sie alle, die Singenden und Kirill Petrenko
mit den Berliner Philharmonikern für diesen so emotionalen und gleichzeitig
so erfrischenden Ersten Walküre-Aufzug.
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