Opera Online, 08. Juli 2021
Dr. Helmut Pitsch
 
Wagner: Tristan und Isolde, Bayerische Staatsoper ab 29.6.2021
"Einsam in öder Pracht" – der neue Tristan in München als Psychodrama
 
Erwartet ungewohnt aber schlüssig und konsequent ist das Regiekonzept des Polen Krzysztof Warlikowski für diese Neuinszenierung von Tristan und Isolde von Richard Wagner an der bayerischen Staatsoper. Es gilt die Vergangenheit der Beiden aufzuarbeiten, die wie in keiner anderen Oper hier für den Regisseur eine so gewichtige Rolle spielt. Dabei verzichtet er auf realistische Bühnenbilder, um sich von der Handlung abzutrennen. Der ganze Abend spielt in einem edlen holzgetäfelten nüchternen Raum mit 4 schweren Ledersesseln. Einziges Indiz für die vor dem Augen des Betrachters ablaufende Psychoanalyse ist die Freudsche Coach am rechten Bühnenrand. Bühne und Kostüme im Stil der 50iger Jahre stammen von Malgorzata Szezesniak.

Die beiden Liebenden sind durch vergangene Kriegsgeschehnisse traumatisiert. Ihr Liebesakt endet bereits im Selbstmordversuch. Die Erinnerungen an Ihre Beziehung werden auf großer Leinwand eingespielt. Berührunglos liegen sie in einem Hotelzimmer im Bett, das parallel zum Selbstmordversuch überflutet wird. Tristan erlebt im dritten Akt seine Todesahnung getrieben

von Kindheitserinnerungen, die durch eine Tischtafel mit Kinderpuppen dargestellt wird. Insgesamt führt Warlikowski eine Metaebene Verstorbener ein, in der auch Tristan und Isolde vertreten sind und auch gleichzeitig auf der Bühne stehen. Der Liebestod findet wieder vor der heruntergelassenen Leinwand von einem Video begleitet statt. Die beiden sterben auf der Bühne im Video erwachen sie in den vorhergehenden Fluten und lächeln sich an. Bei der Premiere gab es intensive Ablehnung für diese Inszenierung, die für mich nicht nachvollziehbar ist, auch wenn diese kein grosser Wurf ist.

Viel Spannung und Erwartung gab es im Vorfeld um die Rollendebüts von Jonas Kaufmann und Anja Harteros als Titelhelden. Beiden ist dies zur vollsten Zufriedenheit gelungen. Er singt den Abend zu meist in seinem gewohntem Mezzo Voce. Hier passt es über weite Strecken in das Regiekonzept. Mitunter wird er vom Orchester zugedeckt. Er setzt sein schauspielerisches Talent gekonnt ein, um seine Wahnvorstellungen und sein Leid wirkungsvoll zur stimmlichen Gestaltung verschmelzen zu lassen.

Sie startet mit kräftigen dramatischen Tönen und ist zu Beginn scharf in der Höhen. Aber es setzt sich ihr reiner und insbesondere in der Tiefe klarer und kräftiger Sopran durch und sie dehnt ihre Stimme sehr cantabel über weite Bögen. Ihr Liebestod ist ruhig sehr verständlich ohne auf einen Höhepunkt zustrebend, sondern weich und in sich gekehrt. Beeindruckend auch ihre Wortverständlichkeit.

Herausragend gelang Okka Von der Damerau ihr Debüt als Brangäne. Ihre in allen Lagen sehr präsente und ausgeglichene Stimme hat einen warmen Klang. Ihre Habet acht Rufe im zweiten akt legen sich wie schützender Schmelz über das Liebespaar. Überzeugend ist die sonore mächtige Stimme von Mika Kares als König Marke. Wolfgang Koch ist ein sicherer Kurwenal. Über allem thront ein geschliffenes ausgeprägtes Dirigat von Kirill Petrenko, der sich im Gegensatz zu sonst transparenten Wagnerinterpretationen an diesem Abend förmlich in vollem romantischem Klang badet, aber auch viele Details vorbildhaft herausarbeitet.

Ein Opernabend auf höchstem Niveau der vom Publikum frenetisch gefeiert wurde.




 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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