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Badisches Tagblatt, 03.02.2020 |
Von Georg Rudiger |
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Konzert, "Mein Wien", Baden-Baden, 1. Februar 2020
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Leichtes Operettengefühl |
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"Wien, Wien, nur du allein, sollst stets die Stadt meiner Träume sein",
singt Jonas Kaufmann am Ende des Konzerts und kostet dabei die Farben seiner
Stimme aus. Rudolf Sieczynskis Schlager "Wien, du Stadt meiner Träume" hat
im ausverkauften Festspielhaus Baden-Baden Charme und Raffinesse. Kaufmann
dehnt und beschleunigt, nimmt die Stimme zurück und lässt sie wieder
verströmen. Und die PKF-Prague Philharmonia unter Jochen Rieder folgt ihm
wie ein Schatten. Kaufmanns Hommage an Wien war das letzte Konzert einer
Europa-Tournee mit insgesamt zwölf Stationen.
Der erste Teil des
Abends steht ganz im Zeichen von Johann Strauß Sohn. Schon bei der Ouvertüre
zu "Eine Nacht in Venedig" zeigt die PKF-Prague Philharmonia unter Jochen
Rieder, dass sie Walzer kann. Die vielen Tempoübergänge gelingen wie
selbstverständlich, die Streicher entwickeln einen seidigen Klang. "Sei mir
gegrüßt, du holdes Venezia", das Lied des Herzogs aus dem ersten Akt der
Operette, singt Kaufmann mit viel Vibrato und voller Opernstimme. Das Ende
"Sei mir gegrüßt" schmettert er wie den Schlusston einer Verdi-Arie.
"Egal wie groß die Anforderungen sind, es muss immer alles locker und leicht
und wie von selber kommen. Und dazu muss man noch frei und locker agieren
und spontan reagieren können", sagt Jonas Kaufmann im Booklet-Interview
seiner Wien-CD über die Operette. Davon ist im Festspielhaus allerdings
zunächst wenig zu hören und zu sehen. Auch dem Lied des Caramello aus dem
dritten Akt "Ach wie so herrlich zu schau'n" fehlt es an Flexibilität und
Leichtigkeit. Jonas Kaufmann steht so steif da wie bei einem Liederabend.
Erst die "Tik-Tak"-Polka des Orchesters lockert das Geschehen ein wenig auf.
Mit der amerikanischen Sopranistin Rachel Willis-Sorensen ist bei den
Duetten eine Sängerin an seiner Seite, die ebenfalls wenig Zwischentöne zum
Klingen bringt. Beim Duett "Dieser Anstand, so manierlich" zwischen
Rosalinde und Eisenstein aus der "Fledermaus" singt sie Kaufmann mit ihrer
voluminösen, aber auch schrillen und durchdringenden Stimme an die Wand.
Zumindest szenisch versuchen die beiden ein wenig Spontaneität und
Operettengefühl aufkommen zu lassen, wenn er sich an ihre Brust schmiegt und
sie nach seiner Taschenuhr schnappt. Auch Rosalindes Arie "Klänge der
Heimat" fehlen die Nuancen. "Wiener Blut" aus der gleichnamigen Operette
gelingt nach schwerfälligem Beginn ein wenig lockerer. Das Rubato vor dem
letzten Refrain kosten die beiden aus, ehe sie Walzer tanzend das Publikum
in die Pause entlassen.
Im zweiten Teil wird der routiniert wirkende,
musikalisch wenig überzeugende Wien-Abend deutlich charmanter. Jetzt steht
Jonas Kaufmann näher am Mikrofon, was ihm ermöglicht, mehr Nuancen zu
gestalten. Den melancholischen Grundton von Emmerich Kálmáns "Zwei
Märchenaugen" aus der Operette "Die Zirkusprinzessin" trifft er genau. Der
Vortrag wird persönlicher und erzählerischer. Besonders in Robert Stolz'
Wienerliedern "Im Prater blüh'n wieder die Bäume" und "Wien wird schön erst
bei Nacht" zeigt Jonas Kaufmann einen ganz spielerischen Umgang mit seiner
Stimme, was dem Repertoire sehr gut tut. Auch sein Wienerisch wirkt
natürlich.
Mit seinem dunkel timbrierten Tenor hat er eine besondere
Farbe für den Sehnsuchtsort Wien, den fast immer eine zarte Melancholie
umgibt - auch in der beiläufig gesungenen Zugabe "In einem kleinen Café in
Hernals" von Hermann Leopoldi. Hans Mays "Heut ist der schönste Tag in
meinem Leben" animiert das Publikum wie beim Radetzkymarsch der Wiener
Philharmoniker im Neujahrskonzert zum Mitklatschen, ehe Jonas Kaufmann und
Rachel Willis-Sorensen mit einem schön geschmachteten "Schenkt man sich
Rosen in Tirol" das begeisterte Publikum verabschieden.
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