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BR Klassik, 22.03.2019 |
von Manuel Brug |
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Verdi: La forza del destino, London, ab 21. März 2019 |
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ZWEI STIMMEN – EINE SEELE
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Sie haben nur einmal ein paar "Traviatas" zusammen gesungen. So war diese
hysterisch erwartete "La forza de destino"-Produktion am Royal Opera House
nicht nur einer der Höhepunkte der Saison. Sie war ebenfalls das erste
Zusammentreffen der beiden Superstars Anna Netrebko und Jonas Kaufmann in
einer Premiere. Und die Erwartungen haben sich erfüllt, obwohl Leonore und
Alvaro nur am Anfang und Ende der Oper aufeinandertreffen.
Jonas
Kaufmann hat die Partie des Mestizen Alvaro erstmals 2013 an der Bayerischen
Staatsoper gesungen. Seit damals ist Zeit vergangen. Bei der Londoner
Premiere am 21. März gab ein angegrauter Kaufmann nicht mehr den wilden
Außenseiterrabauken, sondern einen vom Leben früh gezeichneten Soldaten. Der
ist untröstlich, als er am Schluss zwischen Leichen sitzt. Er trompetet kaum
mehr mit jugendlichem Furor die Töne heraus, sondern steuert sie souverän,
mit stets kontrollierter Technik an, lässt sie an- und abschwellen, erfüllt
souverän und musikalisch einen Charakter durch Noten. Gerade auch in den
Duetten mit dem ihn hassenden, aber viel mehr Bühnenzeit mit ihm
verbringenden Bariton. Ludovic Tézier, auch schon in München als Carlos mit
von der Partie, ist ebenfalls noch grüblerischer, weicher geworden, hat sich
aber für seine beiden Solonummern eine griffige Attacke bewahrt.
NETREBKOS DUNKEL GLÜHENDER SOPRAN Anna Netrebko ist auf dem Höhepunkt
ihrer Soprankunst: Ihr dunkel glühender Sopran schwingt sich entspannt und
weich in hellste Höhen auf. Sie singt mit Gottvertrauen und zartesten Piani
ihre Gebete, ist verzagt und verliebt, emphatisch und abgeklärt. Dabei gibt
sie sich sensitiv im Spiel, wunderbar mädchenhaft rein, durchscheinend und
verletzbar, ist aber durch nichts aus ihrer ebenmäßigen Gesangslinie zu
bringen.
EMOTIONALE EXTREMZUSTÄNDE Einfach nur erzählen, allem
Wiedersinn zum Trotz: Christof Loy, der ästhetisch sichere unter den
Regiepsychologen, hat das schon in Amsterdam gewagt und gewonnen. Dort kam
die Produktion zunächst im Herbst 2017 heraus. Dabei ist Verdis "Macht des
Schicksals" ein nur schwer zu schluckender Brocken. Dauernd wird da aus
Versehen erschossen, Krieg geführt, auf Rache gesonnen, mit Messern
gekämpft, auf Stand und Familienehre geachtet, der sich jedes Individuum bis
zum Tod unterzuordnen hat. Hier lodern und wabern nur emotionale
Extremzustände aus Liebe, Angst, Hass und Mordlust, gewürzt mit katholischer
Verzückung und ewigen, ekstatisch gen Himmel gewendeten Anrufen an Gott und
die Jungfrau Maria in Verklärungsgloriole – die solche Erdentrübheit nur
noch schwärzer erscheinen lassen.
ZEITLOS KAHLER SALON Loy beginnt
schon in der von Covent-Garden-Musikchef Antonio Pappano leise, aber
intensiv gestalteten Ouvertüre mit seiner Geschichte: die Protagonisten als
Kinder in einem zeitlos kahlen Salon. Schnell werden sie erwachsen. Noch
zweimal hebt sich der Vorhang, erst kämpfen die beiden übrig gebliebenen
Jugendlichen miteinander und fallen verliebt über einander her, dann starren
sie sich als Erwachsene feindlich an. Schließlich folgen all die zufälligen
Begegnungen, das Fehlen von Hauptfiguren über mehrere Bilder, die dumpfe
Rachsucht, der passive Gottglaube. Dazwischen der spanische Bürgerkrieg als
apokalyptischer Reigen, angeführt von seiner grellen Göttin, der Zigeunerin
Preziosilla. Loy und der dienend sich seinem kargen Look anpassende
Ausstatter Christian Schmidt zeigen diese heillose Welt als geschlossenes
System.
HIMMLISCHE LÄNGEN – UNAUFDRINGLICH GEGLIEDERT Antonio
Pappano dirigiert diese "Forza" akzentsicher und effektbewusst, dabei
biegsam und flexibel, nie grell überschraubt. Er gliedert unaufdringlich die
himmlischen, einzig mit vokalen Mitteln die Zeit zum Stillstehen bringenden
Längen. Er hält zusammen, was logisch auseinanderfliegt, greift immer
wieder, auch in Erinnerungsmotiven, lange brachliegende Handlungsstränge
auf. Sehr gut besetzt sind zudem die wichtigen Nebenrollen, die Veteranen
Ferruccio Furlanetto und Alessandro Corbelli bringen als Padre Guardiano und
Frau Melitone Zucht wie Witz ins ernste Geschehen. Nur die Preziosilla von
Veronica Simeoni wirkt etwas matt und abgesungen; was aber zu dieser
abgelebten Kriegsgewinnlerin gut passt.
GLÜCKLICHE EINHEIT Die
Generalprobe hatte Jonas Kaufmann noch abgesagt. Doch jetzt waren er, eben
zudem zum vierten Mal Vater geworden, und Anna Netrebko eine Tenor- und eine
Sopranseele – die wir bald wieder zusammen erleben wollen. Dann aber in
einem Stück, wo sie mehr miteinander zu tun und zu singen haben. Zunächst
aber können sich auch die kartenlos Ausgegangenen auf die Kinoübertragung am
2. April freuen.
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