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Die Rheinpfalz, 22.01.2019 |
Von Karl Georg Berg |
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Mahler: Das Lied von der Erde, Baden-Baden, 20. Januar 2019
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Ein Sänger, ein Stil |
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Jonas Kaufmann singt in Baden-Baden alle sechs Sätze des „Liedes von
der Erde“ von Mahler – Der aus Herxheim bei Landau stammende Jochen Rieder
steht am Pult |
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Gustav Mahler schrieb seine Sinfonie „Das Lied von der Erde“ eigentlich für
zwei Gesangsstimmen, einen Tenor und einen Alt (oder Bariton), und
Orchester. Der Tenor Jonas Kaufmann aber singt beide Partien und alle sechs
Sätze. Zum Abschluss einer Tournee durch Deutschland und die Schweiz
gastierte er damit im Festspielhaus Baden-Baden. Am Pult des
Sinfonieorchesters Basel: der aus Herxheim bei Landau stammende Dirigent
Jochen Rieder.
Rieder ist seit einigen Jahren der feste Begleiter von
Jonas Kaufmann bei seinen Soloprogrammen und tritt mit ihm in ersten Häusern
und mit weltberühmten Orchestern auf. Auch auf CDs und DVDs sind beide
zusammen zu erleben. Bei der Tournee mit dem Sinfonieorchester Basel traten
sie nun in einem sinfonischen Programm auf. Auf Kaufmanns CD mit dem „Lied
von der Erde“ spielen jedoch die Wiener Philharmoniker unter Jonathan Nott.
Die Musikfreunde aus der Südpfalz kennen Jochen Rieder schon lange. Mit
Ad-hoc-Ensembles führte er hier Anfang der 1990er-Jahre große Stücke wie
etwa Händels „Messias“ auf. Als Assistent von Generalmusikdirektor Günter
Neuhold wirkte er am Badischen Staatstheater Karlsruhe und am Theater in
Bremen. Dann ging er an die Oper nach Zürich. Dort und bei den Bayreuther
Festspielen war er auch als Maestro suggeritore tätig. Der Maestro
suggeritore ist ein Dirigent nur für die Bühne, der vom Soufflierkasten aus
die Sänger mit Einsätzen „bedient“. Zunächst in Bremen, Zürich und anderen
Städten in der Schweiz und Österreich dirigierte Rieder Opernaufführungen
und Konzerte. Mittlerweile ist er nicht nur mit Jonas Kaufmann weltweit
aktiv.
2004 hatte er den Tenor in Bayreuth kennengelernt: der Beginn
einer engen musikalischen Zusammenarbeit und Freundschaft. Klar, dass Solist
und Dirigent bei der Wiedergabe des „Liedes von der Erde“ auf einer
Wellenlänge lagen und in ihrem Vorstellungen von dem Stück übereinstimmten.
Rieder leitete dabei sicher und mit klaren Gesten das vorzüglich spielende
Sinfonieorchester Basel.
Jonas Kaufmann kennt das „Lied von der Erde“
gut und singt schon lange die Stücke für Tenor. Ich erinnere mich an eine
Aufführung mit ihm vor rund 20 Jahren beim Musikfest in Stuttgart, bei der
die Qualität des damals noch kaum bekannten Sängers schon deutlich zu
erkennen war. An Mahlers 100. Todestag war Kaufmann auch der Tenorsolist in
der Berliner Philharmonie unter Claudio Abbado.
Doch Jonas Kaufmann
hat nicht nur eine klare Vorstellung von dem Stück, sondern auch das
sängerische Potenzial die heikle Aufgabe für den Tenor mühelos zu
bewältigen. Das ist eine Grundvoraussetzung für sein ambitioniertes Projekt,
alle Teile allein zu singen. Kaufmann muss sich sängerisch vor allem im
ersten und fünften Teil nicht so verausgaben wie viele seiner Kollegen, so
dass er die Kraft für die anderen Stücke behält.
Fast noch mehr aber
als das kluge Haushalten mit der Stimmkondition führt Kaufmanns innere
Haltung das Projekt zum Erfolg. Er singt Mahlers Musik in der Tat wie
Lieder, unaufgeregt und frei von jeglichem Opernpathos. Dabei gestaltet er
keineswegs ausdruckslos, aber eben immer klug disponierend und vor allem auf
eine sinnfällig und beredte Diktion ausgerichtet. Wer sich rückhaltlos dem
Weltschmerz der Stücke hingäbe, wäre sicher schon nach dem ersten „Trinklied
vom Jammer der Erde“ mit den Nerven fertig und kaum mehr in der Lage, den
Stimmungswechsel zum melancholischen „Einsamen in Herbst“ zu vollziehen.
Ganz anders Jonas Kaufmann: er singt mit immenser stimmlicher Kompetenz,
aber immer schlicht im Charakter und ist so in jeder Phrase nahe bei Mahler.
Ein großer Vorteil seiner Version ist natürlich die stilistische Einheit
beim Gesang in allen Teilen, die ist üblicherweise nicht die Regel. So
gelang im Baden-Badener Konzert eine Wiedergabe von ungebrochener Spannung
bis hin zum bewegend geformten „Abschied“.
Übrigens: alles 2500
Besucher im randvollen Festspielhaus hörten, anders als wenige Tage zuvor in
der Hamburger Elphi, den Sänger sehr gut. Es gab keine
Missfallensbekundungen, sondern am Ende Ovationen im Stehen, auch für das
Orchester und Jochen Rieder, die im ersten Teil passend Luciano Berios
„Rendering“ nach den sagenhaften späten Sinfonie-Fragmenten Schuberts
musizierten.
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