Badische Zeitung, 02. Juli 2018
Von Jörn Florian Fuchs
 
Wagner: Parsifal, Bayerische Staatsoper, ab 28. Juni 2018
Eine unausgegorene Mischung
"Parsifal" an der Bayerischen Staatsoper – in der Ausstattung von Georg Baselitz.

Es ist es keine so absurde Idee, den Maler Georg Baselitz als Bühnenbildner für Richard Wagners "Parsifal" zu den Opernfestpielen München einzuladen. Baselitz’ Ästhetik einer rauen, groben Körperlichkeit passt doch perfekt zur siechen Gralsgemeinschaft und den sehr konkret verwundeten Antipoden Amfortas und Klingsor. Doch wie so häufig bei der Begegnung von Bildender Kunst und (Musik-)Theater geht die Sache ziemlich schief. Das liegt weniger an den von Baselitz gestalteten, riesigen Vorhängen mit schrundigen Figuren, die zwischen den Aufzügen herunterkommen. Diese beeindrucken. Auch einige Bildideen auf der Bühne überzeugen, ein abstrakt karger Wald zum Beispiel, der am Ende auf dem Kopf steht, passt gut zum Erzählten.

Das Problem ist die völlig unausgegorene Mischung aus manchmal fast konzertantem Stehtheater und wie aus dem Nichts kommenden Einfällen. Da räkelt sich Kundry (mit gleißendem, verführerischem Sopran: Nina Stemme) im ersten Aufzug unter einem Tierskelett und entledigt sich mühsam ihres wallenden Ethnokleides (Kostüme: Florence von Gerkan), um später in züchtigem Abenddress meditativ herum zu schreiten. Die Blumenmädchen sind arg verwelkt, sie besitzen hängende Brüste mit blutroten Brustwarzen, die Herren der Gralsgemeinschaft treten ebenfalls mitunter in hässlichen Bodysuits auf. Natürlich spielt das an auf Georg Baselitz’ einschlägige Körperdeformierungen, nur was einem im Kunstmuseum direkt anspringen mag, wirkt auf der Bühne eher lächerlich.

Regisseur Pierre Audi, der Wagners Bühnenweihfestspiel bereits in Amsterdam mit dem Künstler Anish Kapoor halbwegs überzeugend inszenierte, gelingt in München nur sehr wenig. Lediglich die erste Hälfte des dritten Aufzugs ist stark, hier wird die Rückkehr Parsifals aus "pfadlosen Irren" ganz minimalistisch, im Geiste asiatischer Theaterformen erzählt. Dies wäre durchaus ein gangbarer Weg für den gesamten Abend gewesen. Insgesamt schleppt sich die Sache leider zäh und oft unfreiwillig komisch dahin.

Vor ein paar Jahren stattete Baselitz in Chemnitz György Ligetis "Le Grand Macabre" aus, vor dem Theaterbesuch konnte man seine Entwürfe im Museum betrachten und war beeindruckt, welche düsteren Raumwirkungen er erzielte. Auf der Bühne gab es dann ein sehr zweidimensionales Bühnenbild, das wie aus billigem Pappmaschee wirkte. Baselitz-Fans können sich diesen "Parsifal" ruhig sparen, sollten sich aber vielleicht das Programmheft besorgen, Beweise für die Genialität des Künstlers finden sich reichlich in den dort abgedruckten Bildern und Skizzen.

Musikalisch war man angesichts einer Topbesetzung rund um Jonas Kaufmann, Christian Gerhaher und Kirill Petrenko natürlich auf der sicheren Seite. War man? Nun ja, nicht ganz. Kaufmann wirkte ein wenig blass. Man hätte sich mehr Farben, mehr Erlösungsfreude gewünscht. René Pape gab einen sehr soliden, im Schlussaufzug leicht schwächelnden Gurnemanz. Das Rollendebüt von Christian Gerhaher als leidender Gralskönig Amfortas geriet eigenwillig. Gerhaher tendiert in letzter Zeit verstärkt zum Überartikulieren, manche Phrasen enden in einer Art Sprechgesang. Das wirkt gerade bei dieser Partie doch etwas störend. Sehr stark, überaus glaubwürdig, indes seine Schmerzensausbrüche im dritten Aufzug.

Kirill Petrenko entfacht am Pult des formidabel musizierenden Bayerischen Staatsorchesters häufig unerwartet breite Klangräusche, schafft dann jedoch wieder wunderbar differenzierte Farbkaskaden. Die Publikumsreaktionen waren freundlich für die Sänger, enthusiastisch für Petrenko, sehr gemischt fürs Produktionsteam. Georg Baselitz suchte die Buhs mit einer verächtlichen Handbewegung zu verscheuchen. Was seinen Marktwert betrifft, so kann er sich in jedem Fall freuen. Denn sein Kollege Markus Lüpertz macht ihm bald bescheidene Bühnenbildkonkurrenz, im beschaulichen Regensburg wird er Vicente Martín y Solers "Una cosa rara" ausstatten.
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