Mittelbayerische, 27. November 2018
Von Juan Martin Koch
 
Verdi: Otello, Bayerische Staatsoper, ab 23. November 2018
Großer Verdi-Wurf bleibt aus
 
Die Protagonisten kämpfen in der neuen „Otello“-Produktion an der Bayerischen Staatsoper mit den hohen Erwartungen.
 
Das Schlafzimmer ist Desdemonas Kosmos. Hier bangt sie beim eröffnenden Seesturm zusammen mit dem Chor um ihren frisch angetrauten Gatten Otello. Während die kleinere Guckkastenversion nach hinten verschwindet, entpuppt es sich, auf Bühnenbreite vergrößert, als Einheitsszenerie von Amélie Niermeyers Münchner Staatsoperninszenierung. Das freudige Kaminfeuer nimmt bedrohliche Züge an. Ein Double Desdemonas spielt damit, von ihrem brennenden Arm scheint niemand Notiz zu nehmen. Als dreidimensionale Projektion kreist dieses Zimmer auch später als banaler Schicksalsort um sie herum.

Was Otello und Desdemona verbindet, bleibt vage
Eine besondere Rolle spielt darin das Ehebett. Es wird immer wieder ins Spiel einbezogen, etwa als Desdemona dort mit Blumen gehuldigt und – ihr Ende vorausnehmend – als lebender Leichnam drapiert wird. Die Regisseurin exponiert einige die weibliche Hauptrolle aufwertende Deutungsideen, darunter auch die von vornherein zum Scheitern verurteilte Beziehung zwischen ihr und Otello, zieht in der Folge allerdings kaum Konsequenzen daraus. Was sie mit Otello – über die etwas plumpe Andeutung „Spiel mit dem Feuer“ hinaus – verbindet, bleibt ebenso unklar wie der Grund für ihr ständiges Beharren auf der Begnadigung Cassios, was die von Jago in Otellos Hirn gepflanzte Eifersuchtsidee nur noch weiter befeuert.

Die Schwerpunktverschiebung auf Desdemona hat außerdem zur Folge, dass wir über den lustlos heimkehrenden Feldherrn eigentlich nichts erfahren, was über ein vage angedeutetes Kriegstrauma hinausginge. Was ihn zum Außenseiter, zum dankbaren Opfer von Jagos Intrige und am Ende zum einsamen Mörder macht, bleibt im Dunkeln.

In dieser etwas diffusen Anordnung hatte nun Jonas Kaufmann die undankbare Aufgabe, dem hohen Erwartungsdruck dieser vielleicht anspruchsvollsten Tenorpartie überhaupt gerecht zu werden. Schon sein Londoner Rollendebüt im vergangenen Jahr hatte gemischte Reaktionen hervorgerufen, und auch bei dieser Premiere stellte sich nur sehr vereinzelt der Eindruck einer vokal über den Dingen stehenden Bewältigung ein. Die Mittellage und mittlere Lautstärkegrade klangen oft stumpf, die Ausbrüche in der Höhe angestrengt, am Limit.

Undankbare Aufgabe für Jonas Kaufmann
Überzeugend war aber seine gestalterische Durchdringung der Partie, das feine Differenzieren bis in fahle, verzweifelte Zurücknahmen an der Grenze zur Hörbarkeit. Gerald Finley als Jago hingegen hatte trotz seines lyrischen Timbres, das eher an Mozarts Figaro denn an einen Verdi-Bösewicht denken lässt, keinerlei Volumenprobleme. In seinen intriganten Einflüsterungen und im monströsen, das Nichts huldigenden „Credo“ entwickelte er statt damönischer Pauschalüberwältigung eine beängstigend präzise Gefährlichkeit.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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