Lübecker Nachrichten, 18.7.2018
Christian Strehk
 
Konzert, 17. Juli 2018, Neumünster, Schleswig-Holstein Musik Festival
Wenn dem Publikum der Atem stockt
 
Berühmte Tenöre wählen bei ihren Arienabenden meist den Weg des garantierten Erfolgs. Jonas Kaufmann aber riskiert bei seinem ersten SHMF-Gastspiel eine gewisse norddeutsche Zurückhaltung beim Publikumsecho, wenn er französisches Repertoire auflegt.

Erst recht, wenn dann neben der Blumen-Arie aus Bizets Carmen auch noch Raritäten wie Halévys „Rachel“-Hymne des Éléazars aus La Juive oder das „O souverain“ aus Massenets Le Cid erklingen. Na klar promoted der 49-Jährige so seine Sony-CD L’Opéra. Aber er singt diese Pariser Schmachtfetzen auch wirklich hinreißend.

Die ja ohnehin gut sitzende, gaumig-samtig timbrierte Stimme strömt mit Legato-Kultur und Sprachgefühl durch die gefühligen Szenen. Da wird sehr schön und stilgerecht die „Voix mixte“ eingesetzt, dieses gleitende Verbinden von Kopfregister und Bruststimme. Kaufmann wagt es, leise zu singen, ohne dabei auszudünnen. Und er kann auch richtig imposant aufdrehen. Ärgerlich nur, dass sich die Hamburger Symphoniker unter Leitung von Jochen Rieder zwischendrin immer wieder in einem beklagenswert unterprobten Zustand präsentieren. Da wackelt es und stockt, klingt schief und dröhnt pauschal. In der heiklen Meistersinger-Ouvertüre oder dem undifferenziert scheppernden Walkürenritt ist man beispielsweise heilfroh, dass alle Beteiligten zu einem Schlussakkord finden. Immerhin ist die Qualität durchgehend eine Spur höher, wenn es gilt, Kaufmann zu begleiten.

Nach der Pause gibt sich Kaufmann als Wagner-Held und rettet dabei viel von der französisch noblen Qualität ins deutsche Fach hinüber. Und die Gralserzählung aus Lohengrin? Überragend! Denn Kaufmann wagt extrem viel Pianissimo, lässt die „Taube“ derart zart und doch raumgreifend herabschweben, dass jedem der über 3000 in der Arena der Atem stockt – außer ihm selber.
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
  www.jkaufmann.info back top