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Wiesbadener Kurier, 4. Oktober 2018 |
Von Klaus Ackermann |
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Liederabend, 1. Oktober 2018, Wiesbaden, Kurhaus
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Jonas Kaufmann eröffnet Wiesbadens „Musikherbst“ |
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Der Startenor begeistert, begleitet von Altmeister Helmut Deutsch am
Flügel, im Kurhaus mit einem Liedprogramm.
Er kam, sang und
siegte auf ganzer Linie: Statt mit kernigem Belcanto eroberte Startenor
Jonas Kaufmann mit empfindsamen Lied-Gebilden seine überwiegend weiblichen
Zuhörer beim Auftakt des „XIV. Musikherbst Wiesbaden“. Und sorgte im
ausverkauften Wiesbadener Kurhaus für eine konzertante Sternstunde. Der
Jubel kannte keine Grenzen, als Kaufmann final versprach, den Reinerlös des
Liederabends für künstlerische und soziale Projekte seines Schwiegervaters
Martin Lutz zu spenden, dem ehemaligen Leiter der Schiersteiner Kantorei und
Begründer dieser alle zwei Jahre stattfindenden Konzertreihe.
Franz
Liszt, Gustav Mahler, Hugo Wolf und Richard Strauss sind die von Kaufmann
favorisierten Protagonisten des Liederabends. Dass der gefeierte Operntenor
auch in diesem Genre zu trumpfen versteht, zeigt schon der Auftakt mit
ausgewählten Liedern von Franz Liszt.
„Vergiftet sind meine Lieder“ –
von der Geliebten, die er nach wie vor im Herzen trägt, fasst Heinrich Heine
seinen Kummer in Verse, die Liszt in vehementer Akkord-Schräge zu
kommentieren scheint. Ein hochdramatischer, noch opernmäßiger Einstieg des
Sängers. Innig, ja sogar ein wenig verträumt dagegen „Im Rhein, im schönen
Strome“. Denn Kaufmann hat für jede emotionale Situation die passende
Stimmfarbe abrufbereit, durchlebt förmlich die seelischen Schieflagen und
lässt dabei den geneigten Zuhörer mitleiden. Daneben ist er ein spannender
Erzähler, etwa in der Goethe-Ballade vom „König von Thule“ oder in dem
Lenau-Poem von den drei Zigeunern.
Doch selbst in diesen Liedern
zeigt Liszt seine Innovationsstärke, ob im sperrigen Akkordgewoge oder im
impressionistischen Glockenklang. Für den unauffälligen, aber effektvollen
und überaus erfahrenen Begleiter Helmut Deutsch kein Problem, der vom
Klavier aus Regie zu führen scheint, erhaben über jedweden Personalstil –
auch in den „Fünf Liedern nach Gedichten von Friedrich Rückert“ von Gustav
Mahler, vom Komponisten nicht als Zyklus angelegt, sondern allein mit dem
Dichter als verknüpfendes Band.
Doch schon in der gewählten
Reihenfolge bringt Kaufmann die Lieder in eine Dramaturgie, vom
Liebesbekenntnis bis hin zu ganz persönlicher seelischer Disposition, die im
„Ich bin der Welt abhanden gekommen“ kulminiert, einem Psychogramm, für das
Kaufmann viele fahle, ergreifende Töne parat hat. Dabei rühren selbst die
vom Pianisten Deutsch gedankenvoll ausgebreiteten Nachspiele noch an. Auch
eine Spezialität des Mahler-Zeitgenossen Hugo Wolf, der schon in seinem
Frühwerk, dem „Liederstrauß“ auf Gedichte von Heinrich Heine, in jene
extremen Ausdruckswelten vorstößt, die Kaufmann besonders schätzt.
Sein Meisterstück liefert der Tenor mit den „Vier letzten Liedern“ von
Richard Strauss auf Texte von Hesse und Eichendorff. Vor allem beim
„Abendrot“ mit seiner Todessehnsucht, im nachhaltigen Mezza voce gesungen
und mit letzten Worten am Klavier, herrscht atemlose Stille im
Thiersch-Saal. Ehe der Jubel losbricht und fünf Zugaben generiert. Von
„Heimliche Aufforderung“ bis zur „Zuneigung“ allesamt Strauss-Lieder. Dazu
hagelt es Blumen von Verehrerinnen – der Tenorissmo hat halt einen Schlag
bei den Damen...
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