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Berner Zeitung, 19.08.2018 |
Svend Peternell |
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Wagner-Konzert, Walküre, 1. Akt, Gstaad, 18. August 2018
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Mit gebrochener Zehe rauf in die Höhe |
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Ein anderer hätte wohl abgesagt. Startenor Jonas Kaufmann jedoch setzte
trotz gebrochener Zehe erneut eigene Massstäbe am Gstaad Menuhin Festival.
Er sah beim Betreten des randvollen Zeltsaals am Gstaad Menuhin Festival
(GMF) eher leidend und ziemlich gequält aus. Dazu hinkte er leicht – und
trug Sportschuhe. Musste die riesige (vor allem weibliche) Fanschar um den
derzeit wohl weltbesten Tenor bangen? Jetzt, wenn dieser klippenreich in die
Höhe klimmen sollte?
Schliesslich wandert man bei Wagner nicht
einfach gemütlich dahin. Seine Bergeshöhen sind Rauschpartien zwischen
bewegt schlenkernden Segelflügen und klaffenden Luftlöchern. Da gleitet man
nicht einfach sanft dahin und stützt sich gemütlich ab. Und schmerzlos geht
der wagnisreiche Wagner- Gang ohnehin nicht von sich.
All das weiss
natürlich eine Koryphäe wie Jonas Kaufmann (49) am allerbesten. Tatsache
ist: Eine gebrochene Zehe, die sich der an allen grossen Opernhäusern heiss
begehrte Münchner letzte Woche beim Sport zuzog, ist mitunter schmerzhaft
und höchst unangenehm. Aber mit entsprechender Behandlung sollte sie für
seine berufliche Ausübung nicht hinderlich sein.
Und die zelebriert
er nicht im stillen Kämmerlein als Home-Office-Worker, sondern vor einer
umfangreichen Fangemeinde, die bereit ist, weit zu reisen und viel zu
bezahlen, um ihn zu sehen und vor allem singen zu hören.
Nicht nur
gut durchgestanden
Im ersten Moment, als der Agent von Jonas Kaufmann
am letzten Mittwoch anrief, befürchtete Christoph Müller, CEO des Gstaad
Menuhin Festival, Schlimmeres – wie eine Absage. Doch Kaufmann war von
Anfang an gewillt durchzubeissen. Und ausser der bewegungstechnischen
Beeinträchtigung würde die stimmliche Qualität nicht darunter leiden.
Und das war am Samstagabend auch so: Die 70 Minuten, welche der erste
Akt der «Walküre» dauert – diesem zweiten Teil aus der Tetralogie des «Ring
der Nibelungen» – stand Kaufmann als Siegfried nicht nur gut durch. Er
verpasste ihnen sogleich seine unvergleichliche stimmliche wie physische
Präsenz. Kaufmann liess seinen farbenintensiven und schattierungsreichen
Tenor samtweich und durchschlagskräftig glühen – bis hin zu den herrlichsten
Stimmmalereien in höchsten Lagen, die im Duett mit Martina Serafin (48) als
Sieglinde besonders furios und packend zur Geltung kamen.
Da trieben
sich zwei (in der Oper) Traumatisierte und in der Seele (gefährlich)
Verwandte zu vibrierenden stimmlichen Höchstleistungen an. Martina Serafin
steuerte dazu ihren feurig-strahlkräftigen Sopran sowie ihre Verve und
Ausdruckskraft bei, um die Tragik dieser Sieglinde markant zu umreissen. Der
Dritte im Bunde, Falk Struckmann (60), schmetterte die ganze Bedrohlichkeit
von Sieglindes verhasstem Gatten Hunding mit seinem dunkel timbrierten
Bariton hochkant in den Raum.
Erstmals Richard Wagner
Ganze
Arbeit leistete vor über 1800 Zuschauern auch das Gstaad Festival Orchestra
(GMF). Es trug – in allen Registern stark besetzt – mit seinen
instrumentalen Feinheiten und seiner opulent zelebrierten Klangwucht
wesentlich dazu bei, dass die erstmalige Präsenz von Richard Wagner am GMF
grossen Anklang fand. Der Walkürenritt etwa beschwörte eindrücklich die
Bilder aus Francis Ford Coppolas Kriegsfilmepos «Apocalypse Now» (1979)
herauf.
Und dem an Intensität und Zwischentönen arbeitenden
Dirigenten Jaap van Zweden (55) gelang es im Vorspiel zu den «Meistersingern
von Nürnberg», die zum Ausbruch drängende Entladungsenergie mit dem
strömenden Untersog spannungsreich zu verbinden. Im Vorspiel zu «Tristan und
Isolde» hielt er den Klangstrom mit dem GMF auf wesentlich gedämpfterer
Stufe am Brodeln. Hier stellte sich – passend zu diesem Liebesdrama – höchst
verzehrende Innigkeit ein.
Kaufmanns Rettungsanker
Am Schluss
servierte das international zusammengesetzte Orchester noch eine Zugabe, als
niemand damit rechnete. Das hatte für den besonders umjubelten und
mittlerweile entspannter lächelnden Jonas Kaufmann den Vorteil, dass er sich
– mit Blumen und Geschenken von weiblicher Klientel fast penetrant überhäuft
– dem Scheinwerferlicht entziehen und «retten» konnte. Schliesslich muss er
am Sonntagabend wieder fit sein. Das gleiche Programm stand am
Grafenegg-Festival in Österreich an. (Berner Oberländer) |
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