Die Presse, 21.8.2018
VON JOSEF SCHMITT
 
Wagner-Konzert, Walküre, 1. Akt, Grafenegg, 19. August 2018
Euphorie trotz Knochenbruchs
Festival Grafenegg. Am ersten Festspielwochenende gab es Wagner, konzertant, mit Jonas Kaufmann als Gastspiel vom Festival in Gstaad.
 
Als nach der Konzertpause vor Beginn der konzertanten Aufführung des ersten „Walküren"-Aufzugs Intendant Rudolf Buchbinder die Bühne betrat und begann: „Jonas Kaufmann hat sich vor drei Tagen ..", da machte sich hörbares Entsetzen im Publikum breit, das aber rasch der Erleichterung wich: „... eine Zehe gebrochen und bittet um Nachsicht, dass er sich des Öfteren setzen muss." Es folgte eine Wagner-Aufführung der Sonderklasse mit einem erlesenen Sängerensemble und Jaap van Zweden am Pult des Gstaad Festival Orchestra.

Kaufmann war an diesem Abend trotz sichtlicher Schmerzen in stimmlicher Höchstform, also die Idealbesetzung für die Rolle des Siegmund. Es gibt nicht viele Sänger, die imstande sind, ein derart weiches, männlich-dunkel gefärbtes Timbre mit solch metallisch - offenen Spitzentönen zu krönen - etwa bei den schier nicht enden wollenden „Wälse"-Rufen oder in den ekstatischen Ausbrüchen im Akt-Finale.

Ebenso bestechend wirkt Kaufmanns Kombination aus präziser Textverständlichkeit und emotionaler Bandbreite: vom heldischen Draufgängertum bis zur schmelzenden Zartheit des Liebeslieds wirkt der gesangliche Ausdruck durchwegs wie selbstverständlich.

Stimmlich ebenso prachtvoll: Die Sieglinde Martina Serafins, die sich an diesem Abend in allen Stimmlagen auf ihren warm timbrierten Sopran verlassen konnte und ebenso mühelos klang wie ihr „Zwillingsbruder" - auch in den Momenten höchster emotionaler Irritation und Verwirrung. Die in den entscheidenden Augenblicken geforderten Spitzentöne klingen bei Martina Serafin, -als wären sie eine natürliche Ausweitung ihrer satten Mittellage. Den Hunding stattete Falk Struckmann mit der nötigen Autorität und Bösartigkeit aus. Sein Gespür für Dramatik übertünchte, dass bei den wenigen extremen Tiefen, die Wagner von seinem Finsterling fordert, des Sängers Vergangenheit als Heldenbariton hörbar wurde.

Jaap van Zweden, designierter Musikdirektor von New York Philharmonic, sorgte durchwegs für musikalische Spannung, blieb aber bei allem Überschwang stets aufmerksamer Begleiter des Sängerensembles. Das Orchester, blendend disponiert, bestach nicht zuletzt dank der brillanten Blechbläsergruppe. Vor der Pause hatte manches Wagner-Fragment noch recht müde geklungen - am Vorabend hatte man dasselbe Programm schon in Gstaad gegeben...


 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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