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Tagesspiegel, 14.07.2018 |
von Ulrich Amling |
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13. Juli 2018, Konzert "Dolce Vita", Berlin, Waldbühne
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Urlaub ohne Pause |
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Jonas Kaufmann in der Waldbühne |
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Pfützen auf dem Weg, Schlickfallen vor den Treppen: Die Regengüsse der
frühen Abendstunden hinterlassen in der Waldbühne ein klammes Gefühl von
Nachsaison. Während das Orchester schon die ersten Takte spielt, werden die
Bars im unteren Bereich dichtgemacht wie für den Winterschlaf. Ein Herr mit
Sonnenbrille schimpft laut hörbar und bekommt noch schnell seinen
Plastikbecher, bevor Jonas Kaufmann die Bühne betritt. Eben hat er in seiner
Heimat München den Parsifal gesungen, nun lädt er zur italienischen Nacht.
Dem unerschrockenen Tenor gelingt es in beinahe allen Genres, seine Fans
glücklich zu machen. Diesmal soll es „Dolce Vita“ sein, dem Titel seines
zwei Jahre alten Albums folgend – verbunden mit dem per Fotoserie gegebenen
Versprechen, ihn einmal befreit von Wagner- und Verdi-Last als sommerlichen
Latin Lover zu erleben. 2011 stand Kaufmann schon einmal auf der Waldbühne,
zusammen mit Anna Netrebko und ihrem damaligen Mann Erwin Schrott, eine
kapitale Ménage à trois. Nun muss es Kaufmann (fast) alleine schaffen. Oben
auf den Rängen bleiben Plätze frei.
Die erste Arie muss er aus der
Tiefe heraufholen Zögerlich nur verschwinden Plastikplanen rund um die
Bühne, die teure Technik schützen. Kaufmanns Ausflug in die Waldbühne muss
sich lohnen, das ZDF sendet den Mitschnitt am heutigen Sonntag um 22 Uhr,
die DVD erscheint im Herbst. Doch neue Schauer sollen sich nähern, die
Stimmung ist angespannt. Man merkt es Jonas Kaufmann an, der seine erste
Arie „Cielo e mar!“ erst einmal aus der Tiefe heraufholen muss. Bevor die
Stimme zu Glanz findet, ist die Nummer auch schon um, und ein Kurztrip durch
Mascagnis herbe „Cavalleria rusticana“ beginnt: Vorspiel, Arie von
Überraschungsgast Anita Rachvelishvili, Duett, Zwischenspiel und dann erst
wieder Kaufmanns Solo: Der Abschied von Turiddu, der sich fortstiehlt zu
einem Duell ohne Wiederkehr. Auch dies eine klamme Szene, immerhin mit etwas
mehr Licht in der Höhe. Danach teilt der Tenor mit, man werde auf die Pause
verzichten, um so viel wie möglich singen zu können vor dem drohenden
nächsten Wolkenbruch. Neapolitanische Heulseufzer, in Stein gemeißelt
Kaufmann taucht in Turnschuhen wieder auf, nachdem Dirigent Jochen
Rieder die Noten für die zweite Hälfte geholt hat. Nun soll es endlich
Canzoni geben, das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin wogt, die Scheinwerfer
rauschen beinahe so laut wie das Meer, Regenpelerinen knistern. „Caruso“ und
„Il canto“, die Kaufmann auf seinem Album noch selbst singt, überlässt er
nun der Mezzosopranistin Rachvelishvili. Es sind Nummern, mit denen
Pavarotti Millionen begeisterte. Kaufmann provoziert keinen Vergleich in
dieser Nacht, weil er weiß, dass seine Stimme vor allem unten herum zulegt.
Leichtigkeit bleibt dabei auf der Strecke, auch ein bisschen
Leichtsinnigkeit, wie sie in der Seele dieses populären Genres schlummert.
Doch Kaufmann kann nicht schlampen, bei „Torna a Surriento“ setzt er jeden
neapolitanischen Heulseufzer, als sei er in Stein gemeißelt. Lässigkeit und
Ironie haben erst bei den Zugaben mit „Volare“ eine Chance, in der auch
Rachvelishvili komisches Talent beweist. Der letzte Urlaubsflieger des Tages
startet von Tegel in den Berliner Nachthimmel. Doch die Arbeit für den
Hardest Working Tenor im Show Business endet nie.
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