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Die Glocke, 06.04.2017 |
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Schubert: Die schöne Müllerin, Gütersloh 5. April 2017
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Gütersloh feiert Startenor Jonas Kaufmann |
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Gütersloh (dop) - Dunkle Locken, Drei-Tage-Bart und ein charmantes Lächeln:
Der tenorale Superstar der Opernwelt, Jonas Kaufmann, glänzte im Theater
Gütersloh. Für seine von Helmut Deutsch virtuos am Klavier begleitete
Kunstlied-Kür mit Schuberts „Schöner Müllerin“ gab es erwartungsgemäß
stehende Ovationen.
Dass der umworbene Heldentenor, der jüngst noch
als Lohengrin in Paris glänzte, in Gütersloh kein Bravourarien-Programm
schmetterte, sondern das Publikum mit dem Liedabend zwang, sich 70 Minuten
ganz der Romantik Schuberts zu ergeben, hat dem Genre Kunstlied sicher gut
getan und vielleicht den ein oder anderen neuen Freund beschert. Dass Jonas
Kaufmann mit seiner überaus starken Bühnenpräsenz und der immer wieder
durchbrechenden Arien-Leidenschaft aber nur bedingt dem
introvertiert-unsicheren und verblendeten Müllersburschen gerecht werden
kann, wurde auch deutlich. Da fehlte denn doch die ein oder andere berühmte
Schubert-Träne.
Nichtsdestotrotz, die ostwestfälischen Musikfreunde
und viele auswärtige Besucher, darunter aus der Schweiz, Spanien, Frankreich
und den Niederlanden, fühlten sich mehr als entschädigt. Denn Kaufmann hatte
das ursprünglich für November geplante Konzert wegen einer
Stimmband-Erkrankung abgesagt. Und auch der erhoffte Ersatztermin im Januar
war – wie sein Auftritt zur Eröffnung der Elbphilharmonie – von dem
47-Jährigen kurzfristig wegen einer Erkältung gecancelt worden. „Dafür haben
Sie jetzt die Gelegenheit, meinen ersten Liederabend seit meiner Genesung zu
erleben“, schenkte der charismatische Tenor seinen Fans ein Stück
Exklusivität zurück – ehe er als liebeskranker Müllersbursche mit forschem
Tempo in seinen Untergang marschierte.
Als genialer (Weg-)Begleiter
erwies sich dabei Kaufmanns Leib-Pianist Helmut Deutsch. Ein Erfolgsgespann,
das auch schon in der New Yorker Met auftrat. Deutsch ist ein Patriarch an
den Tasten, der mit quecksilbrigen Läufen, wunderbar fließenden Bögen und
wilden Parforcejagden Schuberts Komposition klassisch-nobel interpretierte –
dem Bach und den Dingen dabei auf zauberhafte Art ihren Lauf ließ.
Pure Magie im Saal
Zielbewusst und stimmtechnisch
versiert vollzog Kaufmanns warmtimbrierte Stimme vor diesem Hintergrund den
langsamen Wechsel vom eingangs plaudernden Erzählton über den ersten Zweifel
zur späteren puren Verzweiflung und Todessehnsucht. Präzise lotete er
Schuberts psychologische Schattierungen aus: von der beseelten Unsicherheit
des einseitig Verliebten („Ich frage keine Blume“) über den tiefgründelnden,
zart-melancholischen „Tränenregen“ („Wir saßen so traulich beisammen“) bis
hin zum eifersüchtig-wütenden Ausbruch gegen den Jäger, der in der Gunst der
Müllerstochter vorn liegt („In Grün will ich mich kleiden“).
Immer
dann, wenn’s leidenschaftlich wurde, wusste das Phänomen Kaufmann mit
unantastbarer Grandezza zu glänzen. Die hohen Piano-Stellen indes sang er
nicht aus, hielt die Stimme im Schongang.
Am Ende aber, beim
schwärmerisch-schönen Wiegenlied, als der Bach den Müllersburschen in die
Ewigkeit trug, da war in der Stecknadelstille des Theaters pure Magie zu
spüren. Als Zugaben servierte Kaufmann Schuberts neckische „Forelle“ und mit
einer gehörigen Portion schelmischer Selbstironie Goethes „Musensohn“. Das
ließ das Publikum - und den Startenor - zufrieden strahlen.
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