OVB, 27.06.16
von Maximilian Maier
 
Puccini: Tosca, Bayerische Staatsoper, 25. Juni 2016
Wie in goldenen Zeiten
 
„Tosca“ zur Eröffnung mit konkurrenzlosen Bühnenstars – und Kirill Petrenkos erstem Münchner Festival-Einsatz.
 
Es gibt Opernfreunde, die zur Verklärung neigen. Die besten Besetzungen, die mitreißendsten Dirigate, die spannendsten Inszenierungen – alles angeblich unwiederbringlich vorbei, Vergangenheit, heute so nicht mehr zu erleben. Am Samstag wurden sie eines Besseren belehrt. Die Bayerische Staatsoper eröffnete die Festspiele mit dem Blockbuster der Opernliteratur: „Tosca“ von Giacomo Puccini. Und die herausragende Sängerkonstellation war es, die der sechs Jahre alten Inszenierung von Luc Bondy aufsehenerregenden Glanz verlieh – Anja Harteros, Bryn Terfel und Jonas Kaufmann.

Letzterer hatte ja erst vor einigen Wochen bei einer „Tosca“-Serie in Wien für Gesprächsstoff gesorgt, als er „E lucevan le stelle“ nach minutenlangem Applaus wiederholen musste – sehr zum Ärger seiner Bühnenpartnerin Angela Gheorghiu, die daraufhin ihren Auftritt schmiss. In München gibt es keinen Raum für solche Mätzchen: Wer würde es wagen, nach dieser Arie, so spannungsgeladen dirigiert und natürlich in die dramatische Handlung eingebettet wie von Kirill Petrenko, die Hand zu rühren?

Nach drei Jahren, in denen er in den Sommermonaten quasi nach Bayreuth ausgeliehen war, gab der GMD endlich sein Münchner Festspieldebüt. Dabei überließ er wie gewohnt nichts dem Zufall. Am Tag vorher gab es, für ein Repertoirestück ungewöhnlich, eine komplette Durchlaufprobe. So befreite Petrenko das häufig gespielte Stück von allen sich im Opernalltag anhäufenden Schlacken. Die heiklen Chor- und Kinderchoreinsätze (Einstudierung: Stellario Fagone) kamen punktgenau, und die orchestralen Zwischenspiele wie vor der Ermordung Scarpias oder zu Beginn des dritten Akts entwickelten einen eigenen, geradezu symphonischen Anspruch. Petrenko schuf die dramaturgische Einheit zwischen Bühne und Graben, die Oper einfach braucht, um ihre volle Wirkung entfalten zu können. Wenn Tosca in der Kirche stolpernd Scarpia in die Arme stürzt und der, kurz die Beherrschung verlierend, sich mit geil aufgerissenen Augen am Ziel seiner Träume wähnt, dann stellt Petrenko Zusammenhänge her, arbeitet die fratzenhaften, psychologischen Untiefen der Partitur heraus. An den veristischen Stellen lässt er aber auch mal die Zügel los, so dass sich der strahlende Breitbandsound des famosen Bayerischen Staatsorchesters Gänsehautverursachend entfaltet.

Auf der Bühne sorgte der darstellerisch überragende Bryn Terfel als Scarpia für Schauermomente. Man konnte sich nicht sattsehen an seinem Kaleidoskop der psychologischen Schattierungen. Ein Mann als purer Ausdruck, auch stimmlich. Jonas Kaufmann begeisterte mit schier endlosen Bögen, die er in jeder Lage, in jeder Dynamik zu spannen wusste und so im Innersten anrührte – ob als schmachtender Liebhaber („Qual occhio al mondo“) oder auftrumpfender Revoluzzer (mit an Franco Corelli gemahnenden „Vittoria!“-Rufen).

Anja Harteros beglückte mit herrlich blühenden Spitzentönen, die jugendlich-dramatische Qualität hatten. Hollywoodreif und atemberaubend, wie sie nach zweimaligem Zustoßen mit hoch erhobenem Messer über dem in seinem Blut röchelndem Scarpia triumphal-beschwörend „Muori“ rief. Zum Schlussapplaus stand das komplette Haus, auch das festspielreif. Große Oper eben.





 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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