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Mittelbayerische Zeitung, 18. Juli 2016 |
Von Juan Martin Koch |
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Konzert, Regensburg, Schlossfestspiele, 17.7.2016
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Ein Star-Tenor mit Licht und Schatten |
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Wie die Zeit vergeht… Ist der tenorale Superheld, der da am Sonntagabend die
Bühne der Regensburger Schlossfestspiele betritt, derselbe Sänger, der vor
13 Jahren bei einer Buchpräsentation ein handverlesenes Fachpublikum
verzückte? Damals stellte der Henle Verlag in München das neue Verzeichnis
der Werke Robert Schumanns vor und als Einspringer sang ein gewisser Jonas
Kaufmann Auszüge aus der „Dichterliebe“. Was heißt hier sang? Er lebte sie
auf eine lyrisch-dramatische Art aus, die man seit Fritz Wunderlich nicht
mehr gehört hatte.
Das ging einem durch den Kopf, als Kaufmann mit
konzentrierter, leicht angespannter Miene sein Regensburger Programm
eröffnete. Aus dem damals am Züricher Opernhaus engagierten, noch als
Geheimtipp gehandelten Tenor ist ein Weltstar geworden, der von Bayreuth
über London bis New York an allen großen Häusern gesungen und sein
Repertoire kontinuierlich ausgeweitet hat. Zu seinen Wagner-Rollen hätte vor
einer Woche der Siegmund in der „Walküre“ hinzukommen sollen, doch eine
Allergie verhinderte seine beiden Auftritte in Baden-Baden.
Die
Anspannung kam also nicht von ungefähr und der erste Programmteil mit Arien
Giacomo Puccinis zeigte, dass er an diesem Abend stimmlich noch nicht im
Vollbesitz seiner Kräfte war. Im „Ecco la casa“ aus „Le Villi“ klang sein
kerniges, baritonales Timbre eher stumpf, die Höhe leicht belegt. Im zweiten
Teil der Arie traf er die lyrische Stimmung nicht optimal, eine Verzierung
geriet leicht unsauber. Kantig, sehr früh zum Forte hin öffnend, dafür aber
mit bezwingender Wucht setzte er den markanten Schlusspunkt.
Blecherne Lautsprecher
Die anfangs noch wenig überzeugende
Aussteuerung tat ihr Übriges zum eher zwiespältigen Auftakt. In der Höhe
scharf und insgesamt etwas blechern tönte es aus den Lautsprechern, was
bestens zum stilistisch völlig unpassenden Einstieg gepasst hatte. Dmitri
Schostakowitschs Festliche Ouvertüre ist kaum mehr als ein oberflächlich
lärmendes Jubelstück, dessen größter Vorzug seine Kürze ist. Da konnten auch
die Hofer Symphoniker nichts ausrichten, die ihre Begleit- und
Intermezzoaufgaben im ersten Teil ansonsten solide verrichteten.
Das
Cello-Solo zu Beginn des „E lucevan le stelle“ aus „Tosca“ war leider nicht
ganz so solide, wovon sich Jonas Kaufmann mit einem eher spannungsarmen
Einstieg anstecken ließ. Gut gelangen dafür die mezza-voce-Passagen, die
finale Steigerung war einmal mehr von enormer Durchschlagskraft.
Höhepunkt des Puccini-Blocks war zweifellos das „Donna non vidi mai“ aus
„Manon Lescaut“. Hier waren deutlich mehr Stimmfarben und endlich auch jener
Schmelz zu hören, der im Kontrast die plötzliche Schlussattacke („Deh, non
cessar!“) erst zu einem dramatischen Ereignis werden ließ. Ein einsamer
Klatscher (eine Klatscherin?) begleitete daraufhin den Sänger so lange, bis
dieser vollständig im Bühnenhintergrund verschwunden war. Eine seriöse Arie
hatte Kaufmann nun noch zu bewältigen, entsprechend erleichtert wirkte er
nach dem „Guardate, pazzo son“, das wiederum vor allem von seiner
mitreißenden vokalen Intensität lebte.
Das Wetter hielt und so stand
einer lauschig-launigen Fortsetzung des Abends nichts im Wege, für die
Kaufmann Auszüge aus seiner wunderbar gelungenen CD mit Operetten- und
Filmmusikschlagern der 1920er- und 1930er-Jahre ausgewählt hatte. Ein
Glücksfall, wie sich schnell herausstellte, da Kaufmann nun locker und
gelöst wirkte, was nicht heißen soll, dass dieses Repertoire keine
stimmlichen Herausforderungen bereit hielte.
Neben seiner brillanten
Gesangstechnik kommt Kaufmann ein für das leichte Fach ideales Gespür für
Timing und Phrasierung zugute. Wie ein Jazzsänger vermag er es, frei über
den Grundrhythmus hinwegzusingen, mit kleinen Verzögerungen und Dehnungen
die Textnuancen zu betonen.
Mit „Gern hab’ ich die Frauen geküsst“
aus Lehárs „Paganini“ war er gleich in seinem Element und erntete für
Richard Taubers „Du bist die Welt für mich“ einen weiblichen Juchzer. Die
Anzüglichkeiten in Lehárs „Hab ein blaues Himmelbett“ und Robert Stolz’ „Im
Traum hast du mir alles erlaubt“ servierte er mit geschmackvoller
Verführungskunst. Dirigent Jochen Rieder koordinierte das Spiel der Hofer
Symphoniker gut mit Kaufmanns geschmeidigen Interpretationen, nur die
flotteren Swingpassagen gerieten etwas hüftsteif. Zwischenzeitlich waren
einige Musiker vor allem damit beschäftigt, sich die diversen im
Scheinwerferlicht aktiven Flugtiere vom Leib zu halten, was zu beinahe
slapstickartigen Szenen führte. Kusshändchen fürs Publikum
Mischa
Spolianskys „Heute Nacht oder nie“ beendete den offiziellen Teil, mit Werner
Heymanns „Irgendwo auf der Welt“ begann der umjubelte Zugabenreigen. Nach
Benatzkys „Es muss was Wunderbares sein“ schlug „Dein ist mein ganzes Herz“
den Bogen zurück zur „Land des Lächelns“-Ouvertüre, mit der der zweite Teil
begonnen hatte.
Zwischendurch wurde es Zeit für ein Kusshändchen ins
Publikum, aus dem immer wieder enthusiastische Frauenzurufe zu hören waren,
und Kaufmann drapierte die obligatorischen Blumensträuße dekorativ zu Füßen
des Dirigenten. Am Ende hieß es dann mit Robert Stolz „Frag nicht, warum ich
gehe, frag nicht warum“ und Jonas Kaufmann verabschiedete sich mit einer
schönen Textvariante: „Wir gehen auseinander, morgen spielt hier ein
anderer…“
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