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Die Deutsche Bühne, 16.05.2016 |
von Joachim Lange |
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Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg, Bayerische Staatsoper, 16. Mai 2016
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Es menschelt so anheimelnd |
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Richard Wagners „Meistersinger“ könnten auch „…von München“ heißen und
nicht, wie im Titel vorgesehen, „…von Nürnberg“. Zumindest glauben das die
Münchner. Nach der Uraufführung 1868 im Nationaltheater ist jetzt das
Dutzend an Neuinszenierungen voll. Eine Nationaloper, noch bevor sich die
Nation dazu so richtig in Positur geworfen hatte, scheint dieses Großwerk
des Meisters zu sein, , das einzige, das unter halbwegs normalen Menschen
spielt. Und ohne Tote auskommt. Es sei denn, ein Regisseur greift ein, wie
jetzt David Bösch. Bei ihm zielt Beckmesser ganz zum Schluss, wenn alle
Messen gesungen sind, mit dem Revolver zuerst kurz auf Sachs, den er ja für
einen Spitzbuben hält und seine Demütigung zuschreibt, erschießt sich dann
aber doch lieber selbst.
Und dann bleibt da das politische Statement
von Hans Sachs, das die Nachwelt dankbar als Rückenwind aufgegriffen oder
sich daran abgearbeitet hat. Je nachdem… „Was deutsch und echt, wüßt Keiner
mehr, lebt’s nicht in deutscher Meister Ehr …“ – Hans Sachs’
Schlussansprache geht immer als Kommentar zur Zeit über die Bühne. Auch wenn
sie, vom nationalen Bekenntnis bis zum väterlichen Rat an den stürmischen
Jungdichter abgerüstet, eher beiläufig nachdenklich gesungen wird, wie
diesmal. In München entfliehen Walther und Eva der Vorstadt, Sachs und seine
Kollegen bleiben verlassen und ratlos zurück.
Zwingend ist diese Ende
nicht. Eher ein verspäteter Taschenspielertrick, mit dem die Regie eine
radikale Gegenwärtigkeit behauptet, die es vorher gar nicht gibt. Die
evoziert nur Patrick Bannwarts völlig runtergekommene Vorstadt-Platte, in
die ein Kurzschluss der Zeitebenen eingeschlagen hat. Es ist ein
So-ungefähr-Nachkriegsambiente urbaner Schattenseiten. Mit diversen Zutaten
aus Mode, Fuhrpark und TV-Schüsseln, Hebebühne und Public-Viewing-Technik.
Von allem ein bisschen. Für sich genommen wärmt diese Opulenz der
Frustration. Da ist in Sachsens Schuster-Kastenwagen die Milch sauer und der
Kaffeepott so verdreckt, dass Walther ihn erstmal mit seiner Jacke
auswischt. In dieser Platte also sollen alle Meister und selbst der
wohlhabende, immer im weißen Hallodrieanzug auftretende Pogner (Christof
Fischesser) wohnen, obwohl der sich sein eigenes Vorstadtfernsehen für sein
„Nürnberg sucht den Supersänger“ sponsert und einen BMW mit
Namennummernschild fährt.
Da David Bösch aber mit seinen
Sängerdarstellern zwischen all dem abgewrackten Müll eine so gekonnte wie
detailverliebte Personenführung zelebriert, die Empathie für alle, inklusive
Beckmesser, einschließt und auch die kleinen Schwächen der Sympathieträger
nicht unterschlägt, zieht er das Publikum eigentlich in eine geradezu
anheimelnd menschelnde komödiantische Butzenscheiben- und Schusterstuben-
„Meistersinger“-Version hinein. Nur ohne Butzenscheiben und Schusterstube.
Eine, die so tut, als würde sie die Rezeptionsgeschichte ignorieren, aber
sich doch auf die Seite der Komödianten schlägt, die sich bei Wagner
unterhaken. Seltsam, dass diesem Könner in Sachsen Personenführung
ausgerechnet die Prügelfuge arg statisch gerät und ihm auch der Moment durch
die Lappen geht, in dem Hans Sachs mit seinem großzügigen Verzicht auf Eva
hadert. Auf der Festwiese dann gehts auf die Baugerüste und zu wie bei einer
Imitation des Eurovision Song- (bzw. Video-) Contest. Mit einem David, der
sich zum Komasaufen verführen lässt und dann in den Siegerporkal kotzt.
Sei’s drum: Was die Darsteller (inklusive aller Meister) durchweg an
glaubwürdigen Porträts abliefern, das ist schlicht und einfach großartig.
Während uns der Regisseur eigentlich mit einem Bluff kommt, steht im Graben
ein echter Zauberer am Pult. Denn was Kirill Petrenko dort mit seinem
Orchester aus den „Meistersingern“ macht, übertrifft alle Erwartungen, die
man ohnehin mit diesem Dirigenten verbindet. So transparent auf jedes Detail
versessen, so zügig drängend und kraftvoll und dann wieder so beredt und
poetisch kriegt man das gegenwärtig nirgends zu hören. Der Vorteil bei Bösch
ist, dass man öfter mal die Chance bekommt, einfach zu sehen, was man hört.
Hinzu kommt, wie so oft in München bei Nikolaus Bachler,
sängerdarstellerische Spitzenklasse. Der szenisch als Stolzing debütierende
Jonas Kaufmann als locker verspielter, höchstens zwanzigjähriger
Lederjacken-Lockenkopf, den das Künstlerische eher in Wellen, dafür aber
genau im richtigen Moment überkommt – das ist eine Pracht, mit der
Leuchtkraft der Preislieder als Clou. Wolfgang Koch ist der souverän
reflektiert singende, bodenständige Sachs schlechthin. Markus Eiches
Beckmesser ist ein durchaus ernst zu nehmender Gegenspieler. Das geht weiter
über alle Meister und den David, den Benjamin Bruns höchst beweglich singt
und mit Mut zum Trottel spielt. Bis hin zu Sara Jakubiak als selbstbewusste
Eva im Petticoat und der Magdalena von Okka von der Damerau an ihrer Seite.
Dafür gab es einhelligen Jubel. Für die Regie mischten sich
lautstarke Buhs darunter.
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