kulturradio rbb, 22.3.2016
Clemens Goldberg, kulturradio
 
Mahler: Lieder eines fahrenden Gesellen, Berlin, 21. März 2016
Staatskapelle Berlin, Daniel Barenboim und Jonas Kaufmann
 
In Mahlers "Lieder eines fahrenden Gesellen" und dem ersten Satz von Elgars Sinfonie Nr. 1 hinterlässt Barenboims Dirigat einen zwiespältigen Eindruck - im Gegensatz zum fazinierenden Finale.

Jonas Kaufmanns Stimme ist angegriffen, er macht das Beste daraus, zumal die Stimmlage der "Lieder eines fahrenden Gesellen" nicht wirklich tenoral ist. Er entscheidet sich mit der Staatskapelle für extrem leise, innige Töne und sehr langsame Tempi, die fast an Zeitlupe gemahnen. Sehr berührend kann das sein, blendet aber die diesseitigen Aspekte des Werkes fast komplett aus. Die Liebe des Sängers findet ja bei Mahler gerade im Zwiespalt frischen Mutes mit Liebesverlust in der Realität und Traumwelt ihre Faszination.

Beim "blutigen Messer" spätestens müsste mehr Material und Raserei ran, die Kaufmann derzeit nicht aufbieten kann. Dafür umso mehr Gefühl und Psychologie, es bleibt ein zwiespältiger Eindruck, der noch durch die mangelnde Konzentration Barenboims im letzten Lied verstärkt wird.

Weniger wäre mehr

Offenbar ist Barenboim abgespannt und müde, nur summarisch bei der Sache.

Dieser Eindruck beherrscht noch trotz auswendigem Dirigat den ersten Satz von Elgars 1. Symphonie, anstatt Arme Rudern wäre hier Präzision sehr nötig gewesen, da war zwar der Gefühlsstrom sehr präsent, aber die z. T. verwickelten Verläufe zerfielen zu oft. Dann aber fand man über dieses durchaus der Wiederentdeckung werte Stück plötzlich zu wirklich wacher Präsenz. Schon im zweiten Satz mit seinen Naturimpressionen, dann sehr dicht und ergreifend im so sehr an Mahler erinnernden langsamen Satz.

Im Finale schließlich, das so faszinierend einen Bogen zum ersten Satz schlägt, wurde ohne übertriebenen Pomp ein stringentes Ziel erreicht. Ein Plädoyer für dieses in letzter Zeit öfter zu hörende Stück (z. B. mit de DSO unter Sokhiev) - und eines an den Maestro, dass auch seiner Energie Grenzen gesetzt sind und ein Viertel weniger Konzerte allen Beteiligten gut täte.



 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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