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OMM, 21. Juli 2015 |
Von Thomas Molke |
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Schubert: Die schöne Müllerin, Nationaltheater, München, 20. Juli 2015 |
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Die Leiden des jungen Müllers
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Zu den Münchner Opernfestspiele gehören neben zahlreichen Opernproduktionen
aus der vergangenen Spielzeit oder dem langjährigen Repertoire auch
Liederabende. Dabei mag verwundern, dass auch sie teilweise im großen
Nationaltheater stattfinden, da sie von der Gattung her eher für einen
intimeren Rahmen geeignet scheinen. Wenn aber selbst das Nationaltheater an
einem Montagabend für einen Liederabend ausverkauft ist, dürfte es wohl vor
allem an dem Interpreten liegen, den man eingeladen hat: Jonas Kaufmann. Der
2013 zum Bayerischen Kammersänger ernannte Tenor, der an nahezu allen
wichtigen Bühnen der Welt Stammgast ist, ist auch in München regelmäßig bei
den Opernfestspielen zu erleben, in diesem Jahr zum Beispiel als Renato Des
Grieux in Puccinis Manon Lescaut. Den Liederabend hätte jedoch beinahe eine
Wespe verhindert, die den Sänger nachmittags in die Oberlippe gestochen
hatte. Doch Kaufmann versicherte, dass er nach sofortiger Behandlung durch
einen Arzt singen könne, und bat lediglich um Verständnis, falls er zum
Kühlen der Lippe zwischen den einzelnen Liedern die Bühne kurzzeitig
verlassen müsse. Das war allerdings nicht einmal nötig. Stattdessen gab er
sogar noch insgesamt vier Zugaben.
Für den Abend hat Kaufmann Franz
Schuberts Liederzyklus Die schöne Müllerin ausgewählt, die Schubert 1823 auf
die gleichnamige Gedichtsammlung seines Zeitgenossen Wilhelm Müller
komponierte. Müller soll von der unerfüllten Liebe zu Luise Hensel dazu
veranlasst worden zu sein, dieses Gedicht zu verfassen. Man sagt, dass
Schubert es bei seinem Freund gelesen habe und davon so beeindruckt gewesen
sei, dass er das Buch direkt mit nach Hause genommen und am nächsten Tag
bereits die ersten Lieder auf die Gedichte komponiert habe. Der Zyklus
besteht aus insgesamt 20 Liedern und beschreibt die Geschichte eines jungen
Müllersgesellen, der auf seiner Wanderschaft zu einer Mühle gelangt und sich
dort in die Tochter seines neuen Meisters verliebt. Diese verliert er jedoch
an einen Jäger, so dass er sich am Ende aus Kummer ertränkt. Ob die
Liebesbeziehung zwischen dem Müllersgesellen und der jungen Müllerin in der
Mitte des Zyklus dabei nur eine Träumerei des jungen Mannes darstellt oder
sich real abspielt, bleibt der Fantasie des Zuhörers überlassen. Die Vorlage
lässt dabei beide Interpretationsansätze zu.
Kaufmann legt den jungen
Müllersgesellen mit einer baritonalen Stimmfärbung an, was bereits im ersten
Lied "Das Wandern" deutlich wird. Dabei arbeitet er die unterschiedlichen
Gefühlsregungen des jungen Burschen stimmlich differenziert heraus. In den
leisen Tönen bewegt er sich dabei ohne Registerwechsel in die Höhen und
schafft es dennoch, die hohen Töne sauber zu intonieren und mit einer klaren
Diktion zu unterlegen. Dies wird zum ersten Mal deutlich, wenn er an der
Mühle angekommen ist und die schöne Müllerin erblickt hat. In "Danksagung an
den Bach" lässt er seinen überschwänglichen Gefühlen für die schöne Frau
freien Lauf und gibt sich absolut schwärmerisch. Im fünften Lied "Am
Feierabend" ändert sich dann das Tempo der Musik, was von Helmut Deutsch am
Klavier präzise herausgearbeitet wird. Der Müllersgeselle möchte am liebsten
bis zum Umfallen arbeiten, um die schöne Frau auf sich aufmerksam zu machen.
In diesem Tatendrang sprudelt Kaufmann vor lauter Eifer regelrecht über, um
dann allerdings zurück in Melancholie zu verfallen, wenn er erkennt, dass
die anderen Burschen genauso viel können wie er und ebenfalls vom Meister
gelobt werden. So wendet er sich in "Der Neugierige" erneut dem Bach zu und
fragt ihn um Rat. In "Ungeduld" keimt dann neue Hoffnung im Müllersgesellen
auf, die Kaufmann in die wiederholten Worte "Dein ist mein Herz" legt, wobei
er beim ersten Mal die Worte noch mit zarter Stimme ansetzt und im weiteren
Verlauf sie mit immer stärker werdendem tenoralem Glanz regelrecht
herausschmettert.
Nach der kurzen innigen Liebesbeziehung zwischen
Müllersgeselle und Müllerin, die als Liebesbeweis das grüne Band seiner
Laute erhalten hat, erfolgt dann der Auftritt des Jägers, der auch
musikalisch einen Wechsel einleitet. Hektisch erkennt der Müllersgeselle die
Gefahr, die von dem Jäger ausgeht, was Kaufmann mit großer Intensität in
seinen Gesang einfließen lässt. Das Tempo des Textes und der Musik scheinen
sich in "Der Jäger" regelrecht zu überschlagen. Auf eine sich in tenoralem
Glanz aufbäumende Eifersucht folgt dann die Verzweiflung, nachdem der
Müllersgeselle erkennen muss, dass er die schöne Müllerin an den Jäger
verloren hat. Nun ergibt er sich ganz seinem Liebesleid und beschließt, sich
im Bach das Leben zu nehmen. Im 19. Lied "Der Müller und der Bach" kommt es
erstmals zu einem Dialog zwischen dem Müllersgesellen und dem Bach. Leider
lässt sich hier an Kaufmanns Darstellung nicht erkennen, dass an dieser
Stelle ein "Dialog" stattfindet. Vielleicht hätte er den Bach im Ausdruck
leicht anders anlegen sollen. In "Des Baches Wiegenlied" begeistert Kaufmann
dann mit ganz leisen Tönen. In diesem Moment hätte man im großen
Nationaltheater eine Stecknadel fallen hören können. Für diese bewegende
Interpretation erhalten Kaufmann und Deutsch frenetischen Applaus.
Aufgrund des nicht enden wollenden Jubels bietet Kaufmann dann insgesamt
noch vier Zugaben. Dabei bleibt er zum einen der Gattung "Lied" und zum
anderen auch dem Komponisten treu. Nach "Der Jüngling an der Quelle" folgt
"Die Forelle". Bei Deutschs lautmalerischem Spiel am Klavier hört man den
Fisch dabei regelrecht durch das Wasser springen, bis er schließlich vom
Angler gefangen wird. Es folgt dann noch "Durch Feld und Wald zu schweifen",
bevor Kaufmann dann mit dem vertonten Goethe-Gedicht "Am Flusse" den Abend
endgültig beendet.
FAZIT
Jonas Kaufmann beweist, dass er auch
ein hervorragender Liedinterpret ist und mit Schuberts Die schöne Müllerin
das voll besetzte Nationaltheater vor Begeisterung zum Toben bringen kann.
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