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Badische Zeitung, 06. August 2015 |
Wolfram Goertz |
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Beethoven: Fidelio, Salzburger Festspiele, 4. August 2015
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Das Böse unter der Sonne |
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Jonas Kaufmann und die Wiener Philharmoniker brillierten in der Salzburger Neuproduktion von Beethovens "Fidelio". |
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Für Festspielgäste, die sich auf einen genussreichen und charmanten Abend
freuen, ist es gelegentlich mehr als nur eine Belästigung, wenn sie mit den
verstörenden Implikationen großer Opern konfrontiert werden. Beethovens
"Fidelio" ist ja nicht nur das Hohelied der Gattenliebe, sondern auch ein
Stück über einen politischen Gefangenen, dem die Folter zugesetzt hat.
Dieser Mann heißt Florestan und ist mit einer Dame namens Leonore
verheiratet, die ihn – als Mann verkleidet und zwischenzeitlich auf den
Namen Fidelio hörend – aus dem Kerker des Don Pizarro befreit.
Schon
schnell macht die Salzburger Inszenierung von Claus Guth klar, dass dies ein
ungemütlicher Abend wird. Das Team hat sämtliche gesprochenen Dialoge
gestrichen und durch irritierende Geräusche ersetzt: Wie von Ferne meint man
Ketten, schweres Atmen und hallende Klagelaute zu vernehmen. Auch die Optik
gibt uns Grund, an die Gegenwart des Bösen zu glauben: Die Bühne (Christian
Schmidt) ist eine weiße, klassizistisch kassettierte, fast sonnige
Schleiflack-Hölle; in der Mitte dreht, hebt und senkt sich ein schwarzer,
hochkant gewuchteter Steinklotz von der Höhe eines Wohnhauses. Dieses
rechteckige Monster hat keine Fenster, keine Türen; doch es lässt uns die
Gegenwart des Terrors ahnen, der alle Menschen hier bestimmt.
Guth
erzählt das mit den Mitteln der politischen Aufklärung, und wie den Buhs am
Ende unschwer zu entnehmen ist, missfällt es einigen Gästen, dass Florestan
am Ende nicht erlöst am Busen der Gattin rastet, sondern Zeichen eines
schweren psychischen Defekts zeigt (posttraumatische Belastungsstörung).
Auch die Familie des Kerkermeisters Rocco ist nicht frei von
Kollateralschäden, die dem täglichen Umgang mit der Folter geschuldet sind.
Deren schwarzer Engel ist Don Pizarro, ein Finsterling, der eine Brigade von
Knechten befehligt.
Dieses überzeugende Konstrukt verletzt Guth
jedoch durch die Doubles, die er den Figuren mitgibt; Guth nennt sie
"Schatten". Leonore bekommt eine junge Dame an die Seite gestellt, die jedes
Wort wild in Gebärdensprache übersetzt; dem tauben Beethoven hätte das gar
nicht gefallen. Pizarro wird von einem tanzenden Dämon angetrieben. Derlei
Aktionismus sorgt nie für Lebendigkeit, sondern für eine gewisse Statik – so
auch hier.
Im Mittelpunkt der Neugier stand natürlich Jonas Kaufmann,
der sich mit einer heldisch timbrierten, offenen, höhensicheren, kaum
verknödelten und hochmusikalischen Darbietung des Florestan empfahl.
Adrianne Pieczonka als Leonore neigte dagegen zum Übersteuern und war
unsicher in den Spitzentönen. Tomasz Konieczny ließ es als Pizarro ein wenig
arg klirren. Hans-Peter König gab dem Rocco die balsamischen Töne eines
Basses mit, der sich trotz der Unbill seines Jobs eine gewisse Gutmütigkeit
erhalten hat. Das bedeutendste Erlebnis war jedoch die Leistung der Wiener
Philharmoniker, die unter Franz Welser-Möst phänomenal musizierten. Allein
die dritte Leonoren-Ouvertüre boten sie mit einer Spannkraft, einer
visionären Wucht und Energie, die man auf der Bühne leider vermisste. |
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