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Südwest Presse, 06.08.2015 |
OTTO PAUL BURKHARDT |
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Beethoven: Fidelio, Salzburger Festspiele, 4. August 2015
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Ein zwiespältiger "Fidelio" mit Jonas Kaufmann bei den Salzburger Festspielen |
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Es sollte die ganz große Prunk- Premiere werden. Doch Salzburgs "Fidelio" fiel zwiespältig aus. Jubel für Tenor Jonas Kaufmann und Franz Welser-Möst am Pult. Claus Guths statische Regie kassierte aber auch Buhs. |
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Ja, es war wieder ein heftiges Schaulaufen. Wenn Jonas Kaufmann singt, dann
ist was los. Prominenz, Möchtegern-Prominenz und Adabeis strömen herbei,
vorndran Thomas Gottschalk, Bianca Jagger, Anna Netrebko, Christiane
Hörbiger und so fort. Doch im "Fidelio" gibt es ganz seltsame Geräusche zu
hören. Immer wieder leises Wummern, fernes Dröhnen: Zwischen den Szenen
lässt Claus Guth, der Regie-Psychologe, aus dem Off eine geisterhafte
Klangwelt entstehen - auch Geflüster, Rauschen, Pfeiftöne, verwehte Stimmen.
Die Regie bietet so eine Alternative zu den gestrichenen (und Hand aufs
Herz, auch teils banalen) Sprechdialogen. Mit diesem Horror-Soundtrack, der
in den Musik-Pausen aus der Stille aufrauscht, entsteht eine zweite
Erzählebene: Beethovens Kampf mit der Taubheit. Auch dem eingekerkerten
Rebellen Florestan lassen sich diese Klänge zuordnen - als akustische
Halluzinationen eines isolierten Menschen.
Nicht schlecht, diese
Regieidee. Zumindest bettet sie diese Oper, die als Feier von Freiheit und
Liebe gilt, in eine beängstigende Klang-Kulisse, in eine dröhnende Stille,
die jeden noch so herrlichen Jubelgesang dann fast absurd tönen lässt. Auch
dieser Kniff funktioniert sehr gut.
Vieles in Claus Guths Regie aber
wirkt statisch und aufgesetzt verrätselt. Ein riesiger schwarzer Quader,
Symbol für den Kerker, dominiert die Bühne. Überhaupt kommt sein "Fidelio"
meist in reduktivem Schwarz-Grau-Weiß-Design daher.
Menschen und ihre
Schatten spielen ein streng ästhetisiertes Spiel. Guth arbeitet auch wieder
mit Figuren-Verdoppelungen.
Leonore etwa, der es am Ende gelingt, als
Mann verkleidet ihren gefangenen Gatten zu befreien, bekommt als zweites Ich
eine Gebärdensolistin zugeteilt - die gehörlose Nadia Kichler, die Guth
schon einmal eingesetzt hat: Und jetzt wieder als diejenige, die mit den
Händen spricht, die Bezüge zum Thema Taubheit und Isolation herstellt. Auch
Pizarro, der Bösewicht (kraftvoll: Tomasz Konieczny), erhält ein
tänzerisches Double. Ergebnis: ein choreografiertes Vierer-Verwirrspiel.
Einen Tick zuviel wird psychologisiert. So richtig Fahrt nimmt dieser
"Fidelio" nur selten auf.
Stimmlich ist er aber echt festspielreif.
Adrianne Pieczonka gibt ihrer kämpferischen Leonore innige Kantilenen. Und
dann erst Jonas Kaufmann. Der Tenor-Star wird längst auch als Sexsymbol, Typ
Latin Lover, gehypet. Seine künstlerischen Ausflüge mit Quotenbringern wie
Helene Fischer zielen auf klassikferne Publikumsschichten.
Jetzt aber
sein Florestan in Salzburg: ein Erlebnis. Seine Höhen sind federleicht,
strahlend und vor allem ungeheuer feurig. Wie er den Ausruf "Gott! welch'
Dunkel hier!" inszeniert, ist große Klasse - ein aus dem Nichts kommender
hoher Ton, ein leises Wimmern, das zum Schrei einer gequälten Seele
anschwillt: der wohl stärkste Moment des Abends.
Kaufmanns Florestan
ist alles andere als heldisch: ein Zerstörter, traumatisiert, gepeinigt von
Angstimpulsen. Hier wird Claus Guths Regie unbequem, selbst nach dem
Freispruch bleibt Kaufmanns auch schauspielerisch eindrücklicher Florestan
eine gebrochene Figur. Was er erlebt hat, lässt sich nicht mehr schönsingen.
Nein, dieser Schatten seiner selbst ist, wie es heute heißen würde, nicht
mehr "eingliederbar" - ein bitterer Schluss.
Das passt nicht allen.
Mag sein, dass dies einen Teil der Buhs für die Regie provoziert hat. Ein
anderer geht klar auf das Konto einer allzu statischen Personenführung, die
sich mit der künstlich wirkenden Verrätselung eh offensichtlicher Tatsachen
verzettelt. Gelungen hingegen: Wie gespenstisch Freiheitsjubel klingen kann
- vor der Kulisse der leise dröhnenden Stille zwischen den Szenen.
Kompliment auch an Franz Welser-Möst: Er animiert die Wiener Philharmoniker
- trotz einzelner Wackler zwischen Orchester und Bühne - zu extremen
Kontrasten zwischen zartem Schönklang und packender Fortissimo-Rhythmik.
Schon eingangs die Streicher: toll. Wie Balsam für die verwundeten Seelen
dieser Oper. |
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