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News, 5. August 2015 |
von Heinz Sichrovsky |
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Beethoven: Fidelio, Salzburger Festspiele, 4. August 2015
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Von der Regie versenkt |
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Heinz Sichrovsky über die Premiere von Beethovens „Fidelio“
bei den Festspielen
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Das Libretto zu Beethovens „Fidelio“, darüber besteht in der Fachwelt kein
Zweifel, ist schlecht. Das Schlimmste wären die gesprochenen Dialoge,
weshalb häufig Versuche unternommen werden, sie entweder umzuschreiben (was
legitim ist) oder zu streichen, was sich noch jedes Mal als ruinös erwiesen
hat. Die aktuelle Premiere der Salzburger Festspiele ist da keine Ausnahme:
Man lernt die Prosa von Joseph von Sonnleithner und Georg Friedrich
Treitschke erst schätzen, wenn sie fehlt. So wird eine musikalisch
ereignishafte Aufführung ernstlich beeinträchtigt.
Der Regisseur
Claus Guth also hat jedes gesprochene Wort aus dem Werk getilgt. Die kurzen
verbindenden Texte, die das Geschehen erläutern und vorwärts treiben, sind
durch „Geräuschbrücken“ ersetzt. Schwere Atemzüge, Sturmgeräusche und
drohende elektronische Interferenzen können das Geschehen aber nicht
verständlich machen. So nimmt sich das Ganze wie ein Opernkonzert mit
Tonstörungen aus. Dazu erfindet Guth für die beiden Gegenspieler – Leonore
als Verkörperung des Guten, der Gefängnisgouverneur Pizarro als
psychopathischer Willkürherrscher – Doppelgänger, die sich stumm ins
Geschehen mengen, wenn die Ereignisse eskalieren. Die Zweit-Leonore
verständigt sich dabei in Gebärdensprache und entfaltete eine stumme
Geschwätzigkeit, als nehme jemand ständig sein Mobiltelephon in Betrieb.
Guth vertraut einem minimalistischen Konzept: Ein riesiger schwarzer Quader
in einem riesigen Repräsentationsraum (Bühne: Christian Schmidt) verkörpert
Bedrohung, um ihn ordnen sich paralysierte Gestalten mit streng stilisierten
Bewegungen. Beethovens Partitur aber – und daran scheitert das Konzept, noch
ehe es greifen könnte – ist weder minimalistisch noch stilisiert. Gewiss,
„Fidelio“ ist eine Utopie. Aber eine Utopie verzweifelter Hoffnung, ein
rasendes, emphatisches Beharren auf der aufklärerischen Idee von Freiheit,
Gleichheit und Brüderlichkeit zu Zeiten der Reaktion im Habsburgerreich des
19. Jahrhunderts. Außerdem ist „Fidelio“ eine Liebesgeschichte: Eine Frau
kämpft um ihren Mann, der als Opfer politischer Gewalt verschleppt und im
Kerker fast zu Tode gebracht wurde. Sie stürzt dabei einen übermächtigen
Feind, denn die Liebe ist stärker als die Willkür. So ist auch Guths
Konzeption des Florestan nur als Umsetzung des verachteten Librettos, nicht
der Partitur plausibel: Der Gefangene ist hier offenbar so schwer
traumatisiert, dass er nicht resozialisierbar erscheint. Dass Florestan aber
am Schluss führend die Stimme der Hoffnung erhebt, macht das Resultat
vollends unschlüssig.
Zäher erster Akt
Darunter leidet eine sonst beeindruckende Aufführung. Franz Welser-Möst hat
das hundert Mal gespielte Werk mit den Wiener Philharmonikern offenbar
fundamental erarbeitet. Die Ouvertüre ist ein Manifest des Aufbegehrens, und
schon in der Marzellinen-Arie, insbesondere aber im folgenden Quartett
vollbringen die Holzbläser wahre Wunder an Beredsamkeit. Da sich das
dramatische Geschehen aber nicht entwickeln darf, gerät der erste Akt
zusehends zäh, zumal die Besetzung zunächst nur sehr guten, nicht
außerordentlichen Standard verkörpert. Adrianne Pieczonka ist eine
souveräne, ausdrucksstarke Leonore, ohne dass ihr die Partie sonderlich
läge. Im ersten Teil der fordernden Arie ist sie zu wenig lyrisch, im
zweiten zu wenig dramatisch, am Ende kämpft sie mit Ermüdungserscheinungen.
Tomasz Konieczny ist ein sehr guter Pizarro der dämonischen Fraktion,
Hans-Peter König ein erstklassiger Rocco, Olga Bezmertna eine mittelmäßige
Marzelline und Norbert Ernst ein guter Jaquino.
Nach der Pause hebt
sich der Standard augenblicklich mit Jonas Kaufmanns heute unerreichbarem
Florestan. Schon das einleitende, äußerst unangenehme „Gott“ hat man in
einem solchen Crescendo noch nicht gehört. Die Arie mit all ihren
aberwitzigen Schwierigkeiten wird stimmschön, ausdrucksstark und ohne das
geringste Problem gemeistert. Besser geht es nicht. Am Ende singt Sebastian
Holecek einen hervorragenden Minister, so dass man ernstlich überlegt, ob er
nicht der bessere Pizarro wäre. Die herrlich gespielte Dritte
Leonoren-Ouvertüre hat man, eine Folge des Regiekonzepts, selten so isoliert
erlebt. Selten aber auch so triumphal als Sieg des Lichtes über das Dunkel.
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