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Opernglas, März 2015 |
M. Lehnert |
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Giordano: Andrea Chenier, London, Royal Opera House, 20. Januar 2015
LONDON - Andrea Chenier
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„Eine tolle Oper, so kurzweilig, spannend" und „wunderschöne Musik mit immer
neuen Melodien, Arien und den traumhaften Duetten von Sopran und Tenor"
hörte man das Publikum in der spektakulären Premiere der berühmten und
so effektvoll veristischen Oper »Andrea Chénier« am Royal Opera House Covent
Garden schwärmen. Ihr ist allzu selten zu begegnen und das nicht nur in
London, wo diese Neuinszenierung von David McVicar erst die 20. Aufführung
in der Geschichte des Hauses war. Die Französische Revolution in zwei
Stunden, informativ und detailverliebt in historischen Kostümen (Jenny
Tiramani) und Rokoko-Salon (Sets: Robert Jones), der vom aufständischen
dritten Stand im Eingangsakt (köstlich die Gastgeberin Contessa di
Coigny, mit berstender Intensität von Rosalind Plowright gesungen) gesprengt
wird, Revolutionstribunal, Abschiedsduett vor der Hinrichtung. Die Regie
bebildert logisch und prächtig, als gäbe es kein Halten mehr auf dem Weg zur
großen klassischen Operninszenierung, die modern verkopftes Theater nicht
kennt. Das fasziniert unmittelbar und geht eben auch gar nicht anders
bei dieser Oper. Die Produktion überzeugt und wird bejubelt, weil
ausgesprochen präzise gearbeitet worden war und jeder der vielen
Episodenfiguren die musikalischen und szenischen Freiräume zugestanden
werden, die sie benötigt. Es macht ohnehin sehr viel Spaß zu analysieren,
wie geschickt Umberto Giordano auf der versierten Textgrundlage von
Luigi Illica komponiert hat und beispielsweise in der Abfolge von Arien und
Duetten mit den Hits der Protagonisten durch die Einbeziehung von Arien
der Comprimarii wie der der Madelon, die ihren letzten Sohn den
Revolutionstruppen zur Verfügung stellt, den Spannungsbogen immer weiter
webt. Warum hier keine der vielen versierten britischen Mezzosopranistinnen
zum Einsatz kam, sondern die unorganisch in der Tiefe „lostutende" und mit
einem Bruch in der Dynamik die Höhe eher flackernd ansteuernde Elena
Zilio zum Einsatz kommen durfte, war eine der betrüblichen, aber beim hohen
Genuss der grandiosen Musik in dieser Aufführung durchaus zu
vernachlässigenden Überlegungen.
Im Mittelpunkt des Interesses: Jonas
Kaufmann bei seinem Debüt in der Titelpartie, vor der die meisten Tenöre
allerhöchsten Respekt haben, sind doch allein vier Arien und zwei Duette
mit dem Sopran nicht nur zu bewältigen, sondern in einem stets ähnlichen
Aufbau mit von rezitativischer Tiefe und Mittellage in strahlende Tenorhöhen
umschaltender Stimmführung gefordert. Das klappte erwartungsgemäß nicht
nur fabelhaft, sondern ließ sogar Gänsehaut aufkommen, weil Kaufmann
Emotion, technisch brillante Stimmführung unter Ausschöpfung allen —
keineswegs aufgesetzt wirkenden — Glanzes der so geschmeidig eingebundenen
Top-Höhe wie aus dem Lehrbuch präsentieren konnte. Und das nicht nur,
weil Antonio Pappano am Orchesterpult mit Vorsicht als Mutter der
Porzellankiste agierte und am ersten Abend noch ein wenig zu sehr an die
Duftigkeit der Cilea- Oper »Adriana Lecouvreur« angelehnt dirigierte.
Über die anschließende Kinoübertragung bis zur letzten Vorstellung gelang es
dem Tenor zu zeigen, wie er „auf der Partie sitzt". Und das konnten und
können in jeder Generation stets nur sehr wenige in dieser perfekten Form.
Auch Eva-Maria Westbroek als Maddalena di Coigny war von Stimmfarbe und
Phrasierungsgespür bei der Anlage der Rolle die perfekte Besetzung,
wenngleich in manchen zarteren Momenten hörbar wurde, dass die Stimme
nicht immer ihren Vorstellungen gehorcht. Das berühmte Schlussduett wurde
davon jedoch in keiner Weise beeinträchtigt und geriet zu dem von beiden
Protagonisten bravourös „hingefetzten" Höhepunkt des Abends.
Jubel
auch für Zeljko Lucic als Baritonbösewicht mit Herz Carlo Gerard, der das
Volumen seiner im Grunde farblos timbrierten Stimme ein paar Mal so
penetrant forcierte, dass sich immer wieder gleich anschließend
Intonationstrübungen einstellen und Übergänge nicht geschmeidig genug
gelingen wollten, um an die legendären Interpretationen eines Renato
Bruson, Piero Cappuccilli, Giorgio Zancanaro oder Matteo Manuguerra
abstandslos anzuknüpfen.
Außerordentliche Baritonstimmen sind
offenbar momentan rar. Vielleicht eine Rolle für Ambrogio Maestri? Dennoch,
alle drei schafften die so wichtige Spannung zu ersingen, die eine
»Andrea Chénier«-Vorstellung zu einem unvergesslichen Erlebnis machen kann.
Auf der Habenseite auch Roland Wood als Chéniers Freund Roucher ebenso wie
Carlo Bosi als Spitzel der Revolution oder die Wiederbegegnung mit
Denice Graves.
Covent Garden hielt der Mezzosopranistin einmal mehr
die Treue mit dem Engagement als Bersi. Das ausladende stimmliche Organ und
die überbordende Geste der Sängerin eröffneten ein vollblutiges
Rollenporträt der Vertrauten Maddalenas als mütterlicher Freundin, wie man
es in bisherigen Besetzungen kaum gekannt hatte. Großer Jubel für einen
spektakulären Operngenuss, der sicher weltweit einen Höhepunkt in der
laufenden Spielzeit 2014/15 darstellen dürfte. |
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