Abendzeitung, 28.09.2015
Robert Braunmüller
 
Verdi: Aida, Bayerische Staatsoper, 25. September 2015
Verdis "Aida" als Sängerfest mit Jonas Kaufmann und Krassimira Stoyanova
Repertoire mit Rollendebüts: Jonas Kaufmann und Krassimira Stoyanova in Verdis "Aida" im Nationaltheater

Am Ende der Romanze „Celeste Aida“ hat Verdi ein hohes B notiert. Es ist pianissimo zu singen. Luciano Pavarotti nannte dies einen „bösen Scherz“. Die meisten Tenöre singen es laut und bemühen sich bestenfalls um einen schlanken Klang. Für Jonas Kaufmann aber ist Genauigkeit eine Frage der Ehre. Er lässt das hohe B sanft anschwellen und wieder verklingen: nicht nur auf seiner Verdi-Platte, sondern auch live wie am Königsplatz und nun bei seinem szenischen Rollen-Debüt im Nationaltheater.

Kaufmann ist der erste komplette Radamès seit Jahrzehnten. Er singt die Romanze als subtil kolorierte Liebeserklärung. Im Nil-Duett gibt es zärtliche und heldische Momente. Dann schleudert er das „Sacerdote, io resto a te!“ am Ende des dritten Akts kraftvoll in den Saal, als sei Mario del Monaco wieder auferstanden. Ein sinnlicher Thrill, den sonst kein Tenor unserer Tage bereithält.

Neben diesem Ausnahme-Sänger zu bestehen, ist schwierig. Krassimira Stoyanova schaffte es. Zwar wirkte ihre Arie „Ritorna vincitor“ noch unterkühlt. Auch die pathetischen Armbewegungen waren nicht hilfreich. Aber das darf bei einem Rollendebüt passieren. Denn die Bulgarin verbindet dramatische Verve mit lyrischem Ausdruck. Und das ist genau das, was diese Oper braucht. Im Schlussduett kam alles zusammen, was eine Repertoire-Vorstellung zum Ereignis macht: Zartheit und Kraft, berückende Tonschönheit und ekstatischer Ausdruck. Eine Lehr- und Sternstunde in stilistisch sauberem Verdi-Gesang.
Luxus und Lautstärke

Einem Opernhaus, das Radamès und Aida so sensationell besetzen kann, verzeiht man eine mäßige Amneris. Anna Smirnova flackerte sich durch die ersten drei Akte. Ihre Stimme spricht anscheinend erst im vollen Forte so richtig an. Ihre Ausbrüche im Duett mit Radamès und in der Gerichtsszene gelangen ihr imponierend. Aber sie hatten wegen der hier ungewöhnlich breiten Tempi des Dirigenten leider einen Zug ins Selbstgefällige. Dan Ettinger liebt die Extreme: entweder ganz leise wie am Beginn der Oper oder ganz laut wie im weiteren Verlauf des Abends. Zwischentöne sind seine Sache nicht. Und in früheren Vorstellungen hat er mit dem Bayerischen Staatsorchester auch schon sängerfreundlicher begleitet.

Der Rest war ordentlich: Franco Vasallo blieb als Amonasro im Duett mit Aida ein wenig zu vornehm. Ain Anger, dieser Baum von einem Bass, passte perfekt zur Inszenierung von Christof Nel, die den Ramphis als finster-blutigen Opferpriester deutet. Das geschäftige Kopf- und Haarabschneiden wirkt fünf Jahre nach der Premiere noch komischer. Vor allem, wenn es so lässig ausgeführt wird wie zum Orchestervorspiel. Aber Inszenierungen von „Aida“ waren noch nie vergnügungssteuerpflichtig. Weder für Regisseure noch für Zuschauer.



 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 
 
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