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Opernglas, 7-8/2015
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U. Ehrensberger |
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Konzert, Puccini, Teatro alla Scala, Milano, 14. Juni 2015 |
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Puccini Triumph an der Scala
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Mit einem umjubelten Galakonzert gab Jonas Kaufmann eine erste
Kostprobe seines Puccini-Programms und eroberte damit das Mailänder Publikum
im Sturm. Ursula Ehrensberger war für uns dabei und erlebte am Tag darauf
einen entspannt plaudernden Startenor. |
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Nachdem er sich von seiner Frackfliege befreit und einmal tief durchgeatmet
hatte, beendete Jonas Kaufmann mit einem letzten, von tosendem Beifall
begleiteten „vincerò" sein Konzert am 14. Juni in der Mailänder Scala
sichtbar erschöpft, aber glücklich. Vierzig Minuten Schlussapplaus und fünf
Zugaben einschließlich des nachdrücklich eingeforderten „Bis" von „Nessun
dorma" ließen keinen Zweifel daran, dass Jonas Kaufmann die Herzen und den
Verstand des kritischen Mailänder Publikums im Sturm erobert hatte. Selbst
ein Texthänger in der heimlichen italienischen Nationalhymne verschaffte ihm
da nur noch zusätzliche Sympathien und wurde mit freundlichem Gelächter
aufgenommen, vergessen schien auch die Enttäuschung über seine Absage der in
diesen Tagen stattfindenden »Cavalleria rusticana«-Vorstellungen. Dabei
hatte sich der deutsche Tenor in der Hochburg der Melomanen, wo noch immer
Nichtitalienern, die sich an das Kernrepertoire der italienischen Oper
heranwagen, mit Skepsis oder gar Feindseligkeit begegnet wird, auf
gefährliches Terrain begeben, galt doch das Programm seines Konzerts, als
Vorgeschmack auf seine im Herbst erscheinende neue CD, ausschließlich den
Opern Giacomo Puccinis.
Jonas Kaufmann singt nicht nur viele der
Tenorpartien Puccinis, sondern liebt sie auch, und zwar alle ohne
Unterschied, wie er bei einem Gespräch am nächsten Morgen gestand. Ins
Schwärmen geriet er über die Fähigkeit Puccinis, jede Emotion eindrucksvoll
nachzuzeichnen, die vielen filmhaften Sequenzen in seinen Opern — so könne
der zweite Akt der »Tosca« in jedem JamesBond-Film Verwendung finden —, die
auf diese Weise hergestellte Nähe zu unserer heutigen Mentalität. In die
Musik Puccinis könne man sich, so Kaufmann, daher anders als etwa im Falle
von Verdi oder Wagner auf den ersten Blick verlieben.
Viel von der
Liebe Kaufmanns zum Gesamtwerk Puccinis war auch an diesem Konzertabend zu
spüren und zeigte sich an der besonderen Genauigkeit, mit der er jede
einzelne Phrase gestaltete, jedem Ton Gerechtigkeit widerfahren ließ. Seine
phänomenale, vielleicht unorthodoxe, aber dem stimmlichen Material genau
entsprechende Technik leistete ihm dabei wertvolle Dienste. Der lange Atem,
die Legatokultur, das mezzavoce und nicht zuletzt die mühelos angesteuerten
Höhen stellten das solide technische Fundament dar, auf dem er seine jeweils
höchst durchdachten, aber auch durchgefühlten Interpretationen aufbaute.
Diesen Puccini singt Jonas Kaufmann heute wohl niemand nach, da kann es
letztlich nur noch um Geschmacksfragen gehen, wie die häufig diskutierte
Überlegung, ob man für italienische Partien ein helleres als das
unverkennbar baritonale Timbre Kaufmanns bevorzugt.
Wie auch auf der
CD spannte er im Livekonzert den Bogen von den frühen Werken des Komponisten
bis zu seiner »Turandot«. Dies sei in der Absicht geschehen, so erklärte der
Tenor später, die Entwicklung Puccinis aufzuzeigen, die Verfeinerung seiner
Stilmittel, die ihm letztlich aber schon bei seinen ersten Opern in aller
Fülle zu Gebote standen. Zu Beginn des Abends boten „Ecco la Casa" und
„Orgia, chimera dall'occhio vitreo" Ausschnitte aus den Frühwerken »Le
Villi« und »Edgar«, zwei Opern, bei denen Kaufmann nach eigener Aussage eher
nicht damit rechnet, sie einmal in einer szenischen Version zu singen.
Tatsächlich eröffnete der historische Aufbau wertvolle Perspektiven auf das
Ringen des Komponisten um Ausdruck und Form, denn schon mit „Donna non vidi
mai" aus »Manon Lescaut« hatte Puccini zu einer ebenso konzentrierten wie
knappen Form der Arie gefunden, die er letztendlich bis zum Ende seines
Lebens beibehielt. Bei dieser Arie, mit samtenem Schmelz und glühender
Intensität dargeboten, erreichte die Publikumsbegeisterung ihren ersten
Höhepunkt. Enthusiastischer Beifall und begeisterte Zwischenrufe begleiteten
den Tenor sodann von Arie zu Arie, wobei das mit vielen Fans aus dem Ausland
durchsetzte, doch hörbar italienisch dominierte Publikum mit erstaunlicher
Kennerschaft technische wie ausdrucksintensive Höhepunkte registrierte. So
wurde deutlich quittiert, wo Jonas Kaufmann den größten emotionellen Einsatz
zeigte, darunter sicherlich ein Weltschmerz und Todesahnung atmendes „E
lucevan le stelle", in dem er wunderschöne zärtliche Pianotöne für die
„dolci baci" fand. Eher verhalten reagierte das Publikum hingegen aufdie
—vielleicht aufgrund des Fehlens von Kostüm und Maske — etwas zu beherrscht
dargebotene Szene „Pazzo son" aus dem dritten Akt von »Manon Lescaut«, mit
der Kaufmann den ersten Teil des Abends beschloss. Viel Zustimmung fanden
auch die mit angemessener Verzweiflung erfüllte Arie des Dick Johnson „Or
son sei mesi" aus »La Fanciulla del West« und das erste in diesem Konzert
dargebotene „ Ness u n dorma", das gleichzeitig den Schlusspunkt des
offiziellen Programms bildete. Auf sein Rollendebüt in »Turandot«, versprach
er, wird man nicht mehr lange warten müssen. Auch der Pinkerton soll auf der
Opernbühne folgen, obwohl er die allgemeinen Bedenken gegen dessen
Charakterteilt. Doch auch dem Alfredo in »La Traviata«, meint Kaufmann,
könne man vorwerfen, nur im Moment zu leben, ohne seine Umgebung
wahrzunehmen.
Im Rahmen der Puccini-Thematik hielten sich dann auch
die beiden ersten der temperamentvoll eingeforderten Zugaben, „ Recondita
armonia" aus »Tosca« sowie „Ch'ella mi creda" aus »La Fanciulla del West«,
gefolgt von dem zärtlich-melancholischen „Ombra di Nube" von Refice, in
Kaufmanns Interpretation ein Stück mit gefährlichem Suchtcharakter, und
einem wohl ursprünglich als Abschied gedachten „Non ti scordar di me".
Neben den vielen Bravorufen für den Tenor waren auch immer wieder Bravi
für die Musiker der „Filarmonica della Scala" zu hören, die neben der
Begleitung der Arien die Gesangspausen mit Vor- und Zwischenspielen etwa aus
»Le Villi«, »Manon Lescaut« oder »Madama Butterfly« bestritten und besonders
mit dem samtig-warmen Klang ihrer Streicher begeistern konnten. Dieses
Orchester hat Puccini im Blut und schien auch ohne-von Dirigent Jochen
Rieder eher sparsam gegebene - Impulse auszukommen schien.
Dass im
Saal des Teatro alla Scala eifrig die Filmkameras surrten, stellte kein
Problem für den nervenstarken Tenor dar. Der Konzertmitschnitt soll Eingang
finden in einen !Kinofilm (Regie: Brian Large), der Jonas Kaufmann auch
abseits der Bühne und auf seinen Wegen durch Mailand auf Puccinis Spuren
zeigen wird. Bereits jetzt ist geplant, diesen voraussichtlich im Oktober
2015 erscheinenden Film in nicht weniger als 1000 Kinos in 40 Ländern zu
zeigen.
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