Volksfreund, 12.5.2014
Eva-Maria Reuther
 
Konzerte mit dem Kammerorchester Wien-Berlin: Mahler, "Lieder eines fahrenden Gesellen", Philharmonie, Luxemburg, 11. Mai 2014
 
Eine Stimme voll tiefer Sehnsucht
 
 
So richtig was für die Seele! Startenor Jonas Kaufmann hat mit dem Kammerorchester Wien-Berlin einen bewegenden Liederabend in der Luxemburger Philharmonie geboten. 1300 Zuhörer jubelten.

"Ach, du weißt es teure Seele" - die drei Zuhörerinnen in der vierten Reihe, augenscheinlich Mutter, erwachsene Tochter und Enkelin, schnellen empor. Gerade ist der letzte Ton aus Richard Strauss' "Zueignung" verklungen, und die Damen klatschen frenetisch Beifall. Auf der Bühne steht Jonas Kaufmann und lässt den Frauen Flügel wachsen. Und auch in manch männlichem Zuhörerblick schimmert plötzlich so etwas wie Sehnsucht.

Ach ja! Der Tenor mit den schwarzen Locken und den Augen wie Tiefsee ist rundum "hot", um es einmal modern auszudrücken. Wenn er später im tadellosen Frack im Foyer CDs signiert und mit seinen Fans plaudert - ein leichter Münchner Akzent ist noch durchzuhören, kann man ihn sich genauso gut als Liebling des New Yorker Met Publikums vorstellen wie als jenen Mathematik-Studenten, der er mal war.

Kaufmanns Ausdrucksvielfalt scheint unerschöpflich. Eben das macht ihn auch zu einem so faszinierenden Sänger. Vor allem die Mittellage seines nach Bariton tendierenden Tenors ist voller Farbenreichtum, Wärme und Sinnlichkeit. Kaufmann ist ein Sänger von feinstem Klangsinn, der Inhalte ausdeutet und als Klangbild erlebbar macht, der dem Beben der Seele, ihrem Überschwang wie ihrer Trostlosigkeit eine zutiefst anrührende Stimme gibt. Inbrunst, der altmodische Begriff trifft genau, was Kaufmanns Vortrag neben seiner exzellenten Technik ausmacht. Unmittelbar aus seinem Innersten kommt sein Gesang und unmittelbar im Innersten packt er seine Zuhörer.

Großartig war das zu erleben in "Sag welch wunderbare Träume" aus Richard Wagners "Wesendonck Liedern". Kaufmanns wunderbare Stimme verströmte so viel Sehnsucht und nahm die Zuhörer mit in eine hauchzarte Traumebene zwischen Wunsch und Wirklichkeit, die man nie mehr verlassen mochte. Da konnte einem schon der Atem stocken. Das Wesendonck Lied, eigentlich bloß eine Zugabe, wurde zum Höhepunkt des Abends.

Der Sänger war mit Gustav Mahlers Zyklus "Lieder eines fahrenden Gesellen" nach Luxemburg gekommen. Noch ein wenig rau begann er die vier Lieder mit "Wenn mein Schatz Hochzeit macht", aber da zeigte sich schon: Kaufmann vermag in einen einzigen Ton seine ganze Seele zu legen. Der ausdrucksstarke Opernsänger klang durch im dritten Lied "Ich hab ein glühend Messer", in dem sich schneidender Schmerz Luft machte.

Wunderschön zum Schluss: "Die zwei Augen von meinem Schatz". Begleitet wurde Kaufmann vom Kammerorchester Wien-Berlin, einem Zusammenschluss von Musikern der Berliner und Wiener Philharmoniker. An ihrer Spitze brillierte Geiger Rainer Honeck. Sie waren dem Sänger ausgezeichnete Partner, blieben aber bei aller Spielfreude in den Mahler umgebenden Orchesterstücken (Felix Mendelssohn Bartholdys "Streichersymphonie Nr. 10 h-Moll" und Richard Strauss' "Streichsextett") arg gesetzt.













 
 
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