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Opernglas, Januar 2015 |
J.-M. Wienecke |
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Puccini: Manon Lescaut, Bayerische Staatsoper, München, 15.11.2014 |
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Manon Lescaut
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Steckte etwas anderes dahinter, als man öffentlich einräumte? Noch im Juli
hatte Anna Netrebko zur Eröffnung der Opernfestspiele an gleichem Ort in
Martin Kušejs provokanter »Macbeth«-Inszenierung ihr umjubeltes Rollendebüt
als Lady gegeben. Schrille Regie-Kost, die sie damals offensichtlich nicht
zu schrecken vermocht hatte. Vier Monate später, obwohl das Konzept ihr
lange bekannt gewesen sein musste und die Premierenserie hoffnungslos
überbucht war, dann kurz vor Toresschluss ein über die Presse ausgetragener
Eklat um ihre Absage der »Manon Lescaut«-Premiere. Und dies angesichts einer
im Grunde harmlosen, durch Hans Neuenfels aber konsequent in Szene gesetzten
Neuproduktion von Puccinis erstem Welterfolg, die kaum als nennenswerter
Aufreger taugte. Da galt die grelle Ablehnung, die dem streitbaren
Regie-Veteranen beim Schlussvorhang wegen der spektakulären Absage des
Super-Stars und Publikumslieblings entgegenschlug, schon im Voraus als
gesetzt. Der künstlerischen Leistung konnte der Protest, bei aller
berechtigten Kritik im Detail, indes kaum gelten. Das Bühnendrama lebte,
durchdrang die episodenhaften Sequenzen des Vierakters mit geballter
Leidenschaft, fokussierte — gewürzt mit typischen Neuenfels-Kommentaren
Glück und Leid eines ungleichen Paares, das sich in eine schicksalhafte
Abhängigkeit begibt und letztlich daran scheitert. Das alles arbeitete der
Regisseur dank der mitreißenden Intensität seiner Personenführung und des
Volleinsatzes seiner Darsteller ohne Schnörkel auf wunderbare Weise heraus.
Das stark abstrahierende Bühnenbild (Ausstattung: Stefan Mayer und
Stefan Bolliger für die Lichtregie) und die schräg überzeichneten Kostüme
(Andrea SchmidtFutterer) rissen im Gegensatz zur Personenregie kaum zu
Begeisterungsstürmen hin, fielen deutlich ab und weit mehr in die
Kategorieeines selbstverliebten Neuenfels'schen Eigenzitats. Einmal mehr war
es Kristine Opolais, die antrat, vergleichsweise kurzfristig die Kohlen für
eine Premiere der Bayerischen Staatsoper aus dem Feuer zu holen. Dafür
musste sie eigens aus einem Vertrag als Mimi an der MET herausgelöst werden,
was auf wundersame Weise offenbar problemlos gelang. Die Lettin setzte alle
ihre unbestreitbaren Reize gut kalkuliert ein, gestaltete eine hinreißende
Manon. Ein Frau, die weiß, was sie vor allem nicht kann: auf das pralle
Leben und Luxus verzichten. Ihr Klammern an Äußerlichkeiten reißt
schließlich sie und Des Grieux in den Abgrund. Erst im kahlen Nichts der
kalt ausgeleuchteten, weit geöffneten Bühne zählt das alles nicht mehr.
Freilich ist es dann bereits zu spät. Opolais gebührte hoher Respekt für ihr
permanentes Ansingen gegen den übergroßen Schatten von Anna Netrebko. Über
eine vergleichbare Aura und das dazugehörige stimmliche Edelmetall verfügt
sie nicht. Das Publikum feierte sie jedoch geradezu demonstrativ. Bei aller
zelebrierter Verdrängung spürte aber ein Jeder, dass ihr Sopran manchen
Wunsch offen ließ: nach Strahl-kraft, nach der Kunst der Phrasierung, die in
allen Lagen aus dem stimmlichen Vollen schöpfen kann, nach dem einen oder
anderen raffinierten Detail.
Jonas Kaufmann bot dafür reichlich
künstlerische Nahrung und ließ die ganzen Querelen um das Stargeschäft mit
seiner fulminanten Leistung schnell vergessen. Welche schier unglaublichen
Schattierungen er seinem beeindruckenden, in der Höhe auftrumpfenden Tenor
mit weiter perfektionierter Technik abzuringen wusste, war schlicht-weg
begeisternd. Seit der mittlerweile gut 30 Jahre zurückliegenden
Domingo-Serie in der alten del Monaco-Inszenierung hat man einen derart in
seiner Rolle aufgehenden, exzellent und mit Hingabe phrasierenden Des Grieux
am Nationaltheater nicht mehr erlebt. Jubelstürme durchzogen die Ränge,
welche sich in den Folgevorstellungen noch steigern sollten.
Flankiert wurde der Protagonistenglanz durch einen von Markus Eiche
exzellent interpretierten Lescaut. Sein voll im Saft stehender Bariton
punktete mit herrlichen Bögen, ihm gelang einfach alles. Als lüsterner
Alter, der für die pikanten Details auch gern den Voyeur mimt, zeigte sich
Roland Bracht (Geronte) treffsicher besetzt. Das kauzig- frivole
Prälaten-Aperu dagegen sorgte eher für mitleidvolle Lacher im Publikum, denn
für erhellende Erkenntnisse zum Stück. Unter dem altbekannten
Neuenfels-Motto: im Schoß der Kirche ist vieles auch nicht anders, nur
vielleicht ein wenig schlimmer. Bei den kleineren Partien ließ insbesondere
Dean Power (Edmondo) mit schönem Tenormaterial aufhorchen.
Ein
besonderes Augenmerk galt Alain Altinoglu am Pult des Bayerischen
Staatsorchesters. Seine Verpflichtung für den Bayreuther »Lohengrin« im
kommenden Festspielsommer hatte das Interesse an seiner Person enorm
gesteigert. Das Münchner Publikum sah sich im Falle der »Manon Lescaut«
alles andere als enttäuscht, die hohen Erwartungen wurden sogar mehr als
erfüllt. Das Dirigat des Franzosen mit armenischen Wurzeln zeigte spritzige
Verve, Sinn für fein austarierte Zwischentöne, ließ gutes rhythmisches
Gespür erkennen und arbeitete bezaubernde klangliche Valeurs heraus. Der für
seine herausragende Leistung nachdrücklich Gefeierte gab eine vorzügliche
Visitenkarte ab, formte das musikalisch ebenso eingängig wie stimmungsvoll
komponierte Zwischenspiel zu einem kleinen orchestralen Kabinettsstückchen.
Darüber hinaus koordinierte er das Zusammenspiel mit dem Staatsopernchor
(Sören Eckhoff) derart umsichtig, dass aber auch gar nichts anbrannte.
Puccini, wie man ihn sich kaum besser wünschen konnte.
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